Reiseberichte Kanada



Welcome to Canada

08. – 10.05.2012

Von der Einreise, dem Träume leben, der kanadischen Freundlichkeit und Entscheidungsproblemen.

Es ist immer wieder faszinierend. Da setzt man sich in eine riesige Blechkiste, langweilt sich bei schlechtem Essen ein paar Stunden und steigt in einer anderen Welt wieder aus. Gut, der Kulturschock nach Kanada ist jetzt nicht so groß, aber immer hin, die Leute sprechen eine andere Sprache und irgendwie ist doch alles ein bisschen anders. Und wenn es nur die größeren Autos sind oder der Hebel in der Dusche, den man nur in eine Richtung drehen kann und man erst das kalte Wasser voll aufdrehen muss, bevor auch warmes kommt. Aber jetzt nochmal zurück zum Anfang.

 

In Kanada gelandet, waren wir doch ganz schön aufgeregt, was die Einreise angeht. Die gängige Meinung (Reiseführer, Reisebüro, diverse Internetforen) ist, dass man ohne Rück- oder Weiterflugticket nicht nach Kanada einreisen darf. Aber genau das hatten wir vor. Schließlich steht auf der offiziellen Seite der kanadischen Regierung nichts von Flugtickets, sondern nur von ausreichend finanziellen Mitteln und Bindungen ins Heimatland. Wie auch immer. Bewaffnet mit Kontoauszügen und einer detaillierten Auflistung unseres Reisevorhabens treten wir zur Grenzbeamtin vor und nach gerade mal drei Fragen („Was wollen Sie in Kanada?“ – „Reisen.“, „ Wo wollen sie hin?“ – „Den ganzen Weg von hier nach Vancouver.“ und „Wie lange wollen Sie bleiben?“ – „Drei Monate.“) haben wir den Stempel im Reisepass, der uns dazu berechtigt die maximale Zeit von 180 Tagen im Land bleiben. Wir waren so überrascht, dass das so schnell und einfach ging, dass wir tatsächlich noch mal nachgefragt haben.

 

Nach einer kurzen Nacht in der Jugendherberge von Halifax ging es früh am nächsten Morgen, „Canadian like“ mit Kaffebecher in der Hand, zum Spediteur. Ein kurzer Austausch von $ 150 gegen ein bisschen Papier und es ging weiter zum Zoll. Beim Zoll dann Papiere vorzeigen, zwei Fragen beantworten und schon hatte unser Toyo auch den Stempel für seine 180 Tage Aufenthaltserlaubnis. Weiter mit dem Taxi zum Hafen, wieder Papiere vorzeigen, Wagen inspizieren, alles in Ordnung, dann kann es ja jetzt losgehen. Oder auch doch nicht. Wo ist denn jetzt der verdammte Zettel mit dem Einreisestempel für unseren Toyo? Den brauchen wir doch spätestens bei der Ausreise wieder, sonst gibt’s Ärger. Na toll, das fängt ja gut an! Also noch mal zurück zum Bürocontainer und siehe da, alles ist gut. Das wichtige Dokument ist wieder in unserem Besitz und wir sitzen stolz wie Oskar, die erste Hürde genommen zu haben, in unserem Toyo und legen die ersten Kilometer auf kanadischen Straßen zurück. Wir können es kaum glauben, dass unser Traum jetzt Wirklichkeit ist…

 

Der erste Stopp ist natürlich die Tankstelle. Während wir noch rätselnd vor der Zapfsäule stehen bekommen wir nicht zum letzten Mal die kanadische Freundlichkeit zu spüren. Der Herr von der Zapfsäule gegenüber hat wahrscheinlich unsere Fragezeichen überm Kopf gesehen und erklärt uns sofort die verschiedenen Funktionen (erst tanken, dann bezahlen oder erst bezahlen, dann tanken oder mit Kreditkarte direkt an der Zapfsäule bezahlen) und natürlich das es beim Tanken noch einen Gutschein für den Shop gegenüber gibt. Er ist ganz begeistert von unserem Auto und unserem Vorhaben und verabschiedet sich mit den Worten „Welcome to Canada“.

 

Jetzt noch kurz rüber zum Superstore Verpflegung für die ersten Tage einkaufen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Schon beim ersten Regal fällt uns die Entscheidung schwer. Es gibt 50 verschiedenen Sorten Brot, die alle gleich aussehen und sich gleich pappig anfühlen. Aber nehmen wir jetzt 100% Weizen oder mit Cerealien? Lieber mit einem Hauch Haferflocken oder Sonnenblumenkernen? Oder doch lieber Rosinen und Zimt? Dann weiter zur Milch. Das kann ja nicht so schwer sein. Doch wie soll eine Gallone in unsere Kühlbox reinpassen? Bei der zwei Liter Packung wird es schon knapp. Und nehmen wir jetzt „no fat“, „low fat“, „half fat“ oder „full fat“ mit oder ohne Calcium Zusatz? Daneben liegen perfekte Quader in weiß, hellgelb, neongelb und orange. Wahlweise auch in allen Farben gemustert oder in Form von Krokodilen und Spaceshuttles. Soll das etwa Käse sein!? Puhh! Uns schwirrt der Kopf und nach über einer Stunde verlassen wir mit fünf Sachen im Einkaufskorb den Laden und fahren zum nächstgelegenen Campingplatz.

 

Bevor wir aber in unserem Toyo leben und vor allem Schlafen können, heißt es erst mal umpacken. Leider bei Regen und frostigen Temperaturen packen wir die Kiste aus dem Auto, schmeißen die Sachen aus der Kiste wieder ins Auto und hieven die Kiste aufs Dach. Alle Sachen sortieren, Reisetaschen auspacken und wieder alles in den Schränken und der Kiste verstauen. Am nächsten Tag haben wir uns dann noch mal auf dem Weg zum einkaufen gemacht und waren diesmal deutlich erfolgreicher. Zum Leidwesen unserer Kreditkarte. Vor allem im Liquor Store (ja, für Alkohol gibt es hier eigene Geschäfte) sind wir fast umgefallen, als wir die Preise gesehen haben. Dafür gab es aber die klassische braune Papiertüte für unseren Einkauf.

 

Auf dem Campingplatz waren wir übrigens nicht alleine. Noch zwei andere Paare aus der Schweiz haben mit uns ihre Fahrzeuge am Hafen in Empfang genommen und waren ebenfalls fleißig mit umpacken beschäftigt. Vielleicht sieht man sich unterwegs ja mal wieder!


Nova Scotia

11. – 16.05.2012

Klebrig süße Donuts, malerische Fischerdörfer, atemberaubende Klippen, jede Menge Hummer und unsere erste Begegnung mit einer Elchkuh.

Endliche sind wir „on the Road“! Inzwischen ist das Wetter etwas besser geworden. Es regnet nur noch selten und die Sonne kommt ab und zu mal durch. Nur der Wind ist eisig kalt. Nach einem kurzen Stopp in Halifax und unserem ersten Tim Hortons Kaffee und Donut (an diese super süßen, klebrigen, köstlichen Dinger könnte ich mich echt gewöhnen) an der Waterfront fahren wir entlang der Lighthouse Route Richtung Süden. Unsere erste Nacht unterwegs verbringen wir auf einem Schotterplatz direkt am See in der Nähe von Peggy´s Cove, einem wunderschönen Fischerdorf mit Leuchtturm wie aus dem Bilderbuch.

 

Da wir die deutsche Zeit noch nicht ganz vergessen haben, sind wir am nächsten Morgen schon um 6:00 Uhr hellwach und haben damit den Ort fast für uns alleine. Erst als mehr Besucher kommen, fahren wir wieder weiter Richtung Norden. Vorbei an Halifax immer an der Küste entlang. Wegen dem wirklich eisig kalten Wind haben wir uns aber nirgends lange aufgehalten. Es ist für mich ein Rätsel, wie man bei den Temperaturen surfen gehen kann. Aber die Kanadier scheinen da etwas abgehärteter zu sein. Bereits heute passiert es uns das erste und mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht das letzte Mal auf unserer Reise, dass wir die Entfernungen unterschätzen und zur richtigen Zeit keinen vernünftigen Übernachtungsplatz finden. Als wir an diesem schönen Picknickplatz vorbeikamen, war es uns einfach noch zu früh und als es immer später wurde kam nichts mehr. So haben wir unsere erste Nacht auf einem Parkplatz von Walmart verbracht (unter Reisenden sehr beliebt, da kostenlos und völlig legal). Eigentlich gar nicht so schlecht, da häufig noch ein Tim Hortons oder McDonalds für den Frühstückskaffee in der Nähe ist und man während der Öffnungszeiten sogar noch eine Toilette zur Verfügung hat.

 

Cape Breton mit dem gleichnamigen Nationalpark ist eine Insel im Norden von Nova Scotia mit wildromantischem Bergland und felsiger Küste, die wir entlang des Cabot Trails einmal umrundet haben. Leider blieb uns die vom Reiseführer gerühmte spektakuläre Aussicht auf die Küste wegen Wolken und Nebel zum Teil verborgen. Aber die Wanderung im Nationalpark war trotzdem grandios. Nicht zu Letzt, weil wir das erste Mal eine Elchkuh in freier Wildbahn bewundern durften. Plötzlich trabte sie neben uns durch den Wald, blieb stehen und beobachtete uns mit gespitzten Ohren und weit aufgerissenen Augen, bevor sie wieder in Ruhe anfing zu grasen.

 

Da die Saison eigentlich erst im Juni anfängt brauchten wir für den Nationalpark keinen Eintritt zu zahlen. Aber leider sind auch noch viele Campingplätze geschlossen. So auch der in Meat Cove, dem nördlichsten Punkt der Insel, der nur über eine Schotterstraße zu erreichen ist. Trotzdem durften wir auf einem grandiosen Stellplatz direkt an der Klippe stehen. Und immerhin gab es auch ein Plumpsklo. Beim Frühstück konnten wir die Fischer beim Kontrollieren der Hummerfallen und sogar einen Pilotwal und eine Robbe beobachten. Es hat uns so gut gefallen, dass wir gleich zwei Nächte geblieben sind. Hier haben wir auch Peter und Kathrin aus der Schweiz getroffen, die eine Woche vor uns ihren Toyota Landcruiser nach Kanada verschifft haben.

 

Auf dem Weg zurück Richtung Süden haben wir noch in einem kleinen Fischerort haltgemacht, wo gerade der Hummerfang des Tages verladen wurden. Immer schön 100 Pfund in eine Kiste. Nicht gerade zimperlich, wie die mit den noch lebenden Tieren umgehen. Für gerade mal $ 7 hätten wir einen mitnehmen können.

 

Nach einer weiteren Nacht auf Nova Scotia ging es auf dem Transcanada Highway weiter nach New Brunswick, wobei wir immer wieder fasziniert sind von den achtachsigen Sattelschleppern und Häuser auf LKWs, die uns überholen.


New Brunswick

16. – 22.05.2012

Endlose Wälder, Wandern übern Meeresgrund, Kanadier am Lagerfeuer, meckernde Eichhörnchen und jede Menge Viechzeug.

Das wechselhafte Wetter in Nova Scotia (und vor allem der eisig kalte Wind) hat wohl dazu beigetragen, dass ich mir eine schöne Erkältung eingefangen habe. Und genau so, wie ich mich gefühlt habe, empfing uns New Brunswick. Nass, kalt, grau und ungemütlich. Trotzdem machten wir uns auf den Weg zum Fundy Nationalpark. Da die Saison auch hier noch nicht begonnen hatte, kommen wir wieder um den Eintritt im Nationalpark herum und auf dem einfachen Campingplatz am Nordeingang (nur mit Plumpsklo) sind wir die einzigen Gäste. Dank einer kleinen überdachten Picknickecke können wir aber, trotz Regen, trocken und ohne Platzprobleme kochen. Es gab übrigens Reis mit Parmesan- und Buttergeschmack (normalen Reis gab es nur in acht, vier oder 1,6 Kilosäcken), Hähnchen und Paprika-Zuchinigemüse. In der Nacht habe ich allerdings kaum ein Auge zugemacht, weil ich immer irgendwo etwas zwitschern, pfeifen, rascheln oder knacken gehört habe. Echt unglaublich, wie laut der Wald bei Nacht ist.

 

Bei einer kleinen Wanderung durch den wirklich schönen Park (immerhin hatte es aufgehört zu regnen), rannte plötzlich so ein süßes kleines Eichhörnchen vor uns über den Weg. Total fasziniert davon, wie es flink den Baum hoch und wieder runter, in die eine und wieder die andere Richtung flitzt, bleiben wir stehen und beobachten das Kleine eine Weile. Immer aufgeregter trippelt es mit den Hinterfüßen auf der Stelle, bevor es wieder losrennt. Dabei fängt es immer lauter an zu meckern. Es dauert eine Weile, bevor wir kapieren, dass es mit uns schimpft, weil wir auf seinem Weg stehen. Kaum gehen wir ein paar Schritte weiter, kehrt wieder Ruhe ein…

 

Wir fahren weiter zum Campingplatz am Haupteingang des Parks und da hier gerade alles für die Saisoneröffnung am nächsten Tag vorbereitet wird, kommen auch wir wieder in den Genuss einer heißen Dusche und zum Wäsche waschen.

 

Mit einem Stopp zum Hummeressen (eigentlich echt lecker, wenn nur das Puhlen nicht wäre) geht es weiter zu den Hopewell Rocks, wo wir durch Zufall die Schweizer von Cape Breton wieder getroffen haben. Durch den extremen Unterschied zwischen Ebbe und Flut (in der Bay of Fundy werden 16 bis 21 Meter erreicht), haben sich aus dem Sandstein tolle Felsformationen gebildet. Bei Ebben kann man sich diese sogar vom „trockengelaufenen“ Grund des Meeres anschauen.

 

Da wir nicht nur auf dem Highway Richtung Westen fahren wollen (schließlich haben wir ja einen Geländewagen), beschließen wir über unbefestigte Straßen die Provinz New Brunswick zu durchqueren. Leider haben wir keine Papierkarten in denen alle Straßen eingezeichnet sind. Vor allem nicht die unbefestigten. Aber wir haben ja unser Navi! Allerdings stellen wir schnell fest, dass hier eine unbefestigte Straße alles sein kann. Vom 10 Meter breiten festgefahrenen Schotter der sich schnurrgerade durch den Wald zieht über schmale Pisten, die total zugewuchert sind. Sollen wir da wirklich rein fahren, oder lieber doch nicht? Und so fahren wir mehr oder weniger auf gut Glück in den Wald auf der Suche nach einem schönen Übernachtungsplatz. Tatsächlich finden wir eine kleine Wiese direkt am Fluss, wo wir es uns sofort gemütlich machen und zwei Kanadiern aus Québec beim Angeln zu gucken. So stellt man sich Kanada vor! Wir freuen uns schon auf eine ruhige Nacht an diesem so idyllischen Ort. Aber auf Reisen kommt es dann doch meistens anders als man denkt… Nach und nach wird es immer voller, als eine Männertour in Kanus anlegt, und lautes Motorengeknatter dröhnt durch den Wald, als die Dorfjugend vom 40 km entfernen Ort ihre Allradfahrzeuge durch den Wald jagt. Am Ende sitzen wir mit einem bunt zusammengewürfelten Haufen Kanadiern ums Lagerfeuer, hören Countrymusik unterlegt mit Motorenlärm, trinken Bier und grillen Marshmallows und genießen die etwas andere kanadische Outdoorromantik.

 

Dem Tipp von einem der Kanadier folgend, fahren wir am nächsten Tag über eine tolle Backroad (eigentlich ein Trail für Schneemobile) durch den Wald. Über Stock und Stein, teilweise ist die Fahrspur überschwemmt, gelangen wir zu einem weiteren Platz am Fluss und diesmal sind wir wirklich allein. Mittlerweile haben wir übrigens schönstes Wetter mit strahlend blauem Himmel und gut 30°C und so genehmigen wir uns ein Bad im kühlen Fluss.

 

Eigentlich ein Traum dieser Platz, wenn nicht diese verdammten Mücken und Blackflies wären. Eine kleine aber nicht unerhebliche Tatsache, die bei der Vorstellung von Kanadas Wildnis selten erwähnt wird. Sobald man aus dem mehr oder weniger sicheren Auto ins Freie tritt, wird man von tausenden dieser Mistviechern angegriffen, gestochen und gebissen, bis man von Pusteln und blutigen Rinnsalen übersät ist. Nach 30 juckenden Mückenstichen und 15 schmerzenden Blackfliebissen habe ich aufgehört zu zählen und da weder lange Kleidung, noch Mückenspray (auch nicht das kanadische Hammerzeug) noch Lagerfeuerrauch helfen, treten wir nach nur zwei Nächten im Wald die Flucht an.

 

Weitere vier Stunden fahren wir durch den endlosen Wald, bevor wir wieder in der Zivilisation sind. Und ohne, dass wir es gemerkt haben, wird schon mehr Französisch als Englisch gesprochen. Québec wir kommen.


Québec

22. – 25.05.2012

 

Giganten der Ozeane im St. Lawrence Strom, Cityflair in Québec und Staus auf dem Highway.

Auch die Provinz Québec empfängt uns mit Wolken und Regen. Dabei hatten wir doch gerade vier Tage schönstes Sommerwetter, aber kaum fahren wir über die Provinzgrenze (gleichzeitig wechseln wir auch in eine andere Zeitzone) wird es wieder schlechter. Als wir in Rivière-du-Loup, von wo aus uns die Fähre über den St. Lawrence Strom bringen soll, ankommen, ist es so neblig, dass man keine 50 Meter weit sehen kann. Geschlagene vier Stunden müssen wir hier warten, bevor er weiter geht. So ist es schon relativ spät, als wir auf dem Campingplatz in Tadoussac ankommen.

 

Der nächste Morgen begrüßt uns wieder mit Sonnenschein, so dass der geplanten Whale Watching Tour nichts im Wege steht. Wer in Geographie aufgepasst hat, wird sich jetzt wahrscheinlich wundern. Schließlich sind wir doch einige hundert Kilometer vom offenen Meer entfernt. Aber genau hier trifft der mineralreiche Saguenay Fluss mit einer Wassertiefe von bis zu 280 Metern auf den St. Lawrence Strom. Gleichzeitig vermischt sich hier, durch den Gezeitenwechsel, das kalte Salzwasser aus dem Atlantik mit dem süßen, sauerstoffreichen Wasser des Flusses. Zusammen perfekte Bedingungen für Krill-Plankton und damit eine Festtafel für Wale.

 

Eingekleidet wie eine Mischung zwischen Boje und Michelinmännchen besteigen wir also mit acht anderen Touris ein Schlauchboot und fahren hinaus auf den breiten Fluss, um prompt von einer Nebelbank verschluckt zu werden. Eine mystische Stille legt sich über uns, bevor die Sonne sich langsam wieder durchkämpft. Pffff! Der erste Belugawal taucht auf. Pffff! Pffff! Pffff! Immer mehr dieser kleinen, weißen Wale schwimmen um uns herum. Pffff! Immer wieder sehen wir ihre in der Sonne glitzernden Rücken. Huch, was ist das denn? Eine neugierige Robbe steckt ihren Kopf aus dem Wasser, legt sich auf den Rücken und lässt sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Pffffuh! Am Horizont sehen wir eine riesige Wasserfontaine! Das Schlauchboot gibt Vollgas und wir jagen über das Wasser. An dem Ort, wo die Fontaine war, stoppen wir und alle blicken gebannt auf die stille Wasseroberfläche. Wird er wieder auftauchen? Und vor allem wo? Pffffuh! Ein Finnwal, mit seinen bis zu 27 Metern Länge das zweitgrößte Lebewesen auf unserem Planeten, durchbricht die Wasseroberfläche. Und wir kommen uns verdammt klein vor in diesem Schlauchboot. Nach drei Mal Luftholen ist er wieder in den Tiefen verschwunden… Wir waren so fasziniert, dass wir es nicht mal geschafft haben im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken. Auf unserem Weg zurück begegnen wir noch drei Minkwalen, bevor wir mit einer frostiger Nase und einem breiten Grinsen im Gesicht nach drei Stunden wieder an Land gehen.

 

Entlang des Ufers machen wir aus auf dem Weg flussaufwärts Richtung Québec Stadt. Als es immer später wird haben wir die Hoffnung schon fast aufgegeben noch einen schönen Picknickplatz zum Übernachten zu finden. Aber wieder mal haben wir Glück. 40 Kilometer vor der Stadt kommen wir an einem parkähnlichen Platz vorbei wo schon andere Camper stehen. Mit Picknicktisch und Blick auf den, hier schon deutlich schmaleren, St. Lawrence Strom können wir kostenlos die Nacht verbringen.

 

Wie schon so oft, werden wir von einem Kanadier angesprochen, der sich über unser Auto und die fremden Kennzeichen wundert. Es ergibt sich wie immer ein netter Small Talk und wir bekommen wertvolle Tipps. Nämlich wo wir kostenlos in Québec parken können, anstatt saftige $10/Tag zu zahlen!

 

Einen ganzen Tag schlendern wir durch die Altstadt von Québec. Essen Poutine, eine Spezialität der Region (Pommes mit Mozzarella und Bratensoße), die definitiv besser schmeckt als sie aussieht. Genießen das sommerliche Cityflair und schlecken Eis vorm bekannten Hotel Chateau Frontenac.

 

Nach einer Nacht auf dem Walmart Parkplatz in der Nähe der Innenstadt, fahren wir weiter Richtung Süden. Da wir wieder zwei Nächte „wild“ gestanden haben (der zuhause angestaubte Waschlappen kommt hier wieder zum Einsatz), wird es Zeit für eine Dusche. Außerdem fällt auf Reisen auch Hausarbeit an und die Wäsche muss gewaschen werden. So stoppen wir also mittags an einem Campingplatz und fragen, ob wir die Duschen und Waschmaschinen nutzen dürfen. Wir können kostenlos auf den Platz und nachdem Waschmaschine und Trockner durchgelaufen sind, fahren wir wieder weiter. Es ist aber nicht so, als würden wir uns hier komplett durch schnorren. Schließlich muss man auf fast allen Campingplätzen fürs Duschen und Waschen noch mal extra zahlen. Hier gab es für $1 immerhin 5 Minuten warmes Wasser.

 

Da uns (trotz Mücken und Blackflies) die Natur besser gefällt, als die Städte, beschließen wir kurzerhand an Montreal vorbei zu fahren. Allerdings nicht ohne im Stau zu stehen… Das Québec europäischer ist, als der Rest Kanadas können wir nun auch bestätigen. Nicht nur, dass die Autos wieder etwas kleiner sind und weniger Pickups rumfahren, es wird auf der Straße auch wieder genauso gedrängelt wie zu Hause.

 

Unser nächstes Ziel: Niagara Fälle, Ontario.


Ontario

25.05. – 08.06.2012

Verstreute Inseln, donnernde Wassermassen, schwarze Kutschen, türkisblaues Wasser und gigantische Seen

An der Provinzgrenze decken wir uns wie immer bei der Touristeninfo mit Kartenmaterial und Infoheftchen ein, bevor wir dem 1.000 Islands Parkway Richtung Süden folgen. Zwar sehen wir nur einen Bruchteil der eigentlich fast 2.000 Inseln die verstreut im St. Lawrence Strom liegen, aber diese sind schon super schön. Von ganz klein, dass gerade mal ein Baum drauf passt, bis groß genug für ganze Anwesen. Allerdings scheint die eine oder andere Insel unter den Luxusvillen zu verschwinden. Auf einem Parkplatz finden wir einen schönen Übernachtungsplatz mit Blick auf den Fluss und werden am nächsten Morgen mit einem traumhaften Sonnenaufgang über dem stillen Wasser geweckt.

 

Toronto umfahren wir auf dem 6-spurigen Motorway und da wir mit zwei Personen im Fahrzeug bereits eine Art Fahrgemeinschaft bilden, können wir die extra hierfür vorgesehene, fast leere Spur nehmen. Wir bewundern nur kurz die durchaus beindruckende Skyline, bevor wir auf einem Picknickplatz am Niagara Parkway für die Nacht halt machen. Allerdings ist diese alles andere als erholsam! Der soooo süße Waschbär mit seinem buschigen, geringelten Schwanz und der schwarzen Augenbinde, der Abends schon über den Platz geschlichen kam, hat Nachts um 2:00 Uhr angefangen sämtliche Mülltonnen auf dem Platz zu zerlegen. Als er dann anfing auf unseren Toyo zu klettern, hatten wir doch Angst, dass unsere Zeltplane das gleiche Schicksal erleiden muss, wie die Mülltüten nebenan. Also haben wir kurzer Hand unser Bett unten im Wagen hergerichtet und das Dach geschlossen. Funktioniert also auch! Am nächsten Morgen erinnerten nur die Ringe unter meinen Augen und die Fußtapser auf der Motorhaube an die unruhige Nacht. Der Fuchs, der beim Frühstück an uns vorbei lief, hatte damit nichts zu tun.

 

Nur wenige Kilometer weiter erreichten wir Niagara Falls. Nachdem endlich ein geeigneter Parkplatz gefunden war, machten wir uns zu Fuß auf, stromaufwärts entlang des Niagara River, zu den Wasserfällen. Und was soll ich sagen!? Neben den Hotelhochburgen, Casinos und Aussichtstürmen von dem Ort Niagara Falls, wirkten die Fälle erst mal, naja, irgendwie nicht so groß. Und bei dem grauen Himmel auch irgendwie so düster. Aber je näher wir der Kante des Horseshoe Falls kamen und je lauter das Donnern der Wassermassen wurde, umso beeindruckender wurden die Fälle. Vor allem, als sich langsam die Sonne durch die Wolken kämpfte. Eine Fahrt mit der „Maid auf the Mist“, einem Ausflugsboot, dass bis ganz nah an die Wasserfälle ran fährt, gehört natürlich zum Standartprogramm und hat sich wirklich gelohnt! Wenn man merkt wie das Boot gegen die Strömung ankämpft und man von der Gischt ganz nass wird, spürt man erst wirklich die Kraft des Wassers.

 

Wenn man so viel Zeit hat wie wir, sollte man eigentlich meinen, dass man manche Dinge besser planen könnte. Aber wir haben es tatsächlich geschafft zum Wochenende an einer der Top-Touristenattraktionen anzukommen. Zum Glück waren wir sehr früh da. Aber gegen Mittag haben uns die Menschenmassen (und es ist noch Nebensaison) dann doch weitergetrieben.

 

Auf dem Weg Richtung Westen durchqueren wir Mennonitenland. Die Landschaft hat sich geändert und wir sehen immer mehr Landwirtschaft und weniger Wälder. Mennoniten sind übrigens eine Glaubensgemeinschaft, die ursprünglich aus Deutschland kommt und zum großen Teil moderne Technik ablehnt. So wundert es einen kaum, dass wir schwarze Pferdekutschen überholen und plötzlich in Heidelberg stehen.

 

Interessant sind auch die Briefkästen (meist die klassische Röhre mit Fähnchen oder auch sehr kreativ), die in ländlichen Gebieten alle auf einer Seite am Straßenrand stehen. Der Briefträger, oder besser die zwei, können ganz bequem mit dem Auto von Briefkasten zu Briefkasten fahren und aus dem Beifahrerfenster die Post einwerfen.

 

Als wir am nächsten Tag die Bruce Halbinsel im Lake Huron erreichen ist es bereits Mittag und wir fahren den ersten Picknickplatz an, um unsere Hot Dogs warm zu machen. An dieser Stelle kann ich nur Relish empfehlen. Dieses grüne Zeug in der Tube sieht zwar komisch aus, schmeckt aber fantastisch zu Hot Dogs. Ich glaube es sind klein geschredderte Gewürzgurken mit allen möglichen Zusatzstoffen. Wie auch immer, mittlerweile hatten wir auf jeden Fall traumhaftes Sommerwetter als wir an den Strand mit weißen Kieselsteinen treten und auf das glasklare, türkiesblaue, glitzernde Wasser des Lake Huron blicken. Wir beschließen sofort länger hier zu bleiben. Die letzten zwei Wochen haben wir jede Nacht an einem anderen Ort verbracht und gerade die letzten Tage sehr viele Kilometer gemacht. Ob das an dem Gefühl liegt, in kurzer Zeit möglichst viel sehen zu wollen und wir noch nicht realisiert haben, wie viel Zeit wir jetzt wirklich haben, oder weil es uns mehr Richtung Westen zieht, weiß ich auch nicht.

 

Und so verbringen wir eine Woche auf der Halbinsel mit faulenzen, lesen, Frisbee spielen am Strand, grillen und wandern. Mal bleiben wir mehrere Nächte an einem Ort, mal fahren wir 20 Kilometer weiter. Vor allem die Wanderungen sind ein Traum. Über Stock und Stein klettern wir durch den Wald und sind fasziniert von den steilen Klippen des Niagara Escarpment und dem wunderschönen See. Das Niagara Escarpment ist eine Kalksandstein-Abbruchkante, die sich von den Niagara Fällen bis hier her zieht, genauso wie der Bruce Trail, der ihrem Verlauf folgt. Teile dieses, streckenweise sehr anspruchsvollen, Wanderwegs sind wir auch gegangen, da er sich wunderbar mit verschiedenen Sidetrails zu Tageswanderungen verbinden lässt.

 

Übrigens muss man sich hier nicht nur vor Bären (wir gehen nur noch mit Bärenspray vor die Tür), Coyoten und Klapperschlangen in Acht nehmen, sondern auch vor den Pflanzen. Giftiger Efeu soll bei Hautkontakt fiese Pusteln hinterlassen und ziemlich weh tun. Außer dem Efeu ist uns aber nichts Gefährliches begegnet.

 

Als wir den Nationalpark im Norden der Halbinsel erreichen, spielt das Wetter leider nicht mehr mit. Regen bei 11 Grad! Zu Hause würde ich mich aufs Sofa legen, futtern, schlafen, einen Film gucken oder Karten spielen. Und genau das haben wir hier auch gemacht. Nur ohne Sofa und auf zwei Quadratmeter, aber auch gemütlich. Am nächsten Tag machen wir uns aber trotz Dauerregen auf zur nächsten Wanderung. Diesmal balancieren wir über rutschige Felsen und laufen über den federnden, weichen, unheimlich lecker riechenden Waldboden.

 

Nach einer Woche auf der Halbinsel zieht es uns dann weiter. Wegen dem schlechten Wetter wollen wir die frühere der zwei Fähren nehmen, die jeden Tag von Tobermory, dem nördlichsten Punkt der Bruce Halbinsel, nach Manitoulin Island fährt. Das heißt aber auch, dass der Wecker um 6:00 Uhr morgens klingelt. Es ist dunkel und immer noch kalt und nass. Bis ich es geschafft habe aufzustehen, ist es auch noch zu spät fürs Frühstück. Ist das alles sch… Und die Regenjacke ist auch noch nass von gestern und alles so klamm… Vielleicht gibt es ja in Tobermory einen heißen Kaffee und Donuts! Aber auch hier ist noch alles zu. Erst beim ausgiebigen Frühstück auf der Fähre (typisch Kanadisch: Rührei mit Speck, Kartoffelecken, Toastbrot mit gesalzener Butter und Marmelade, dazu ein schlechter Kaffee) wird meine Laune besser. Und als wir abends (ohne Regen) auf einem Campingplatz auf Manitoulin Island mit Blick auf einen See das Abendessen mit Sonnenuntergang genießen, bin ich wieder mit der Welt versöhnt. Unser Zuhause ist auch wieder trocken und sauber (irgendwo müssen ja immer die nassen Klamotten und dreckigen Schuhe hin) und die Wäsche haben wir auch mal wieder gewaschen (riecht jetzt lecker nach Waschmittel und Chlor).

 

Ab jetzt geht es erst mal immer weiter Richtung Westen. Es ist kaum zu glauben, aber war. Nach fast vier Wochen in Kanada gibt es heute das erste Mal Fast Food. Ich weiß gar nicht, warum McDonalds bei uns so verbreitet ist, wo doch Wendy´s so viel besser schmeckt…

 

Wir hangeln uns am Nordufer von Lake Huron und Lake Superior von Provincial Park zu National Park und wieder Provincial Park und wir können kaum glauben wie unglaublich schön und unglaublich groß diese Seen sind. Der Lake Superior hat eine Länge von 563 Kilometern, ist 257 Kilometer breit und hat an der tiefsten Stelle fast 400 Meter. Mittlerweile wechselt das Wetter fast stündlich von Sonnenschein zu leichtem Regen und wieder zurück und es ist entweder super warm oder kalt. In der Pancake Bay spazieren wir am drei Kilometerlangen Sandstrand entlang und klettern im Pukaskwa Nationalpark über massenweise Treibholz.

 

Auf unserem Weg kommen wir durch einen kleinen Ort mitten im Niergendwo, in dem es außer drei Tankstellen, einem Supermarkt und einem Liquor Store, noch eine Winnie-the-Pooh Statue gibt. Ihr kennt wahrscheinlich alle diesen gelben Bären. Und hier hat alles angefangen. Hier die Kurzfassung: Ein kleines Schwarzbärweibchen wird 1914 nach White River gebracht, weil die Mutter erschossen wurde und an einen Soldaten, der auf durchreise war, verkauft. Als gebürtiger Brite lebte er lange in Winnipeg und taufte den Bären deshalb Winnie. Er nahm sie mit nach England und weil er nach Frankreich beordert wurde, gab er sie dem Londoner Zoo in Pflege. Winnie wurde wegen ihrer Kunststückchen und weil sie so zahm war zum Publikumsliebling. Auch von A.A.Milne und seinem Sohn, der anfing Geschichten über sie zu schreiben.

 

In Thunder Bay machen wir wieder Großeinkauf bei Walmart und bleiben gleich über Nacht. Wir haben schon öfter auf einem Walmart Parkplatz übernachtet, aber hier herrscht richtige Campingplatzatmosphäre. Insgesamt neun Camper stehen hier und einige haben Markise und Stühle ausgepackt.

 

Jetzt nähern wir uns auf dem TCH (Trans Canada Highway) der Grenze zu Manitoba. Die Landschaft ist eintönig mit ganz, ganz vielen Bäumen, alle 100 Kilometer kommt mal eine Tankstelle, ein Motel oder Campingplatz, ohne es zu merken haben wir die nächste Zeitzone erreicht und es regnet diesmal sinnflutartig. Perfekt also, um mit dem Notebook auf dem Schoß Reiseberichte zu schreiben.


Manitoba und Saskatchewan

08. – 13.06.2012

Endlose Prärie, schnurgerade Straßen und mächtige Bisons.

Die Provinzen Manitoba und Saskatchewan im Zentrum Kanadas und sind geprägt von unendlichen Weiden und Getreidefeldern, so das eine Fahrt über den TCH (Trans Canada Highway) bis weilen recht eintönig sein kann. Da wir hier viele hundert Kilometer auf der Straße verbracht haben, wird es Zeit mal ein bisschen was zum Straßenverkehr in Kanada zu erzählen.

 

Prinzipiell ist das Autofahren hier sehr entspannt. Die Straßen und Parkplätze bieten sehr viel Platz und der Kanadier an sich (außer der in Québec) fährt sehr zurückhaltend und rücksichtsvoll. Und obwohl wir mit unserem Toyo manchmal recht schwerfällig unterwegs sind, wird nie gedrängelt. Allerdings werden wir öfter von deutlich besser motorisierten LKWs überholt. Was aber eine echte Herausforderung ist, sind die ganzen Schilder am Straßenrand. Neben den üblichen Verkehrsschildern, wo einem gesagt wird, dass man hier zum Beispiel nicht links Abbiegen darf, wird einem noch mittgeteilt, dass man Montags bis Freitags zwischen 6:00 Uhr und 17:30 Uhr nicht links Abbiegen darf. Oder das die rechte Spur Werktags nur von Bussen befahren werden darf. Man wird über die Höhe der Strafe bei Geschwindigkeitsüberschreitungen informiert und ob man die Motorbremse hier jetzt nutzen darf oder nicht. Dazu kommt noch die ganzen Hinweise zu Motels, Restaurants, Geschäften und Fast Food Ketten, die gerne auch schon mal 100 Kilometer vorher zum ersten Mal auftauchen. Auch die verschiedenen Kirchen machen Werbung am Straßenrand und beglücken einen mit Bibelsprüchen. So hat man auch als Beifahrer immer genug zu lesen.

 

Um der Eintönigkeit des TCH etwas zu entfliehen, haben wir einen Abstecher zum Riding Mountain Nationalpark gemacht. Eigentlich wollten wir endlich auch mal das Nationaltier Kanadas, den Bieber sehen. Leider haben wir aber nur die tollen Bauwerke, aber ohne Bewohner gefunden. In einem riesigen Freigehege, in dem noch die ursprüngliche Prärielandschaft erhalten ist, lässt sich mit etwas Glück eine kleine Bisonherde beobachten. Während ein mächtiges Männchen am Straßenrand, völlig unbeeindruckt von unserem Vorbeifahren, geschlafen hat, konnten wir die Herde mit den süßen kleinen Jungtieren nur durch die Bäume hindurch beobachten. Die zweite Nacht im Nationalpark haben wir auf einem kleinen Campingplatz direkt am See Audy verbracht, wo wir am Lagerfeuer (wir werden immer besser darin) beim Marshmellows grillen (Yummie!) dem Geheule der Koyoten (ganz schön unheimlich) gelauscht haben. Aber leider sind wir machtlos gegen den immer wiederkehrenden Regen, der uns irgendwann das Feuer gelöscht hat. Am nächsten Morgen hat uns dann das ungemütlichen Wetter mit Regen und 5 Grad aus dem Park vertrieben.

 

Nach weiteren hunderten von Kilometern auf schnurgeraden Straßen, an denen es kaum eine Möglichkeit gibt abzubiegen, einem Zwischenstopp zum Auto- und Wäschewaschen nähern wir uns jetzt langsam den Rocky Mountains.


Alberta I

13. – 19.06.2012

Der erste Blick auf die Rockys, qualmender Toyo, Werkstattsuche und Kanada im 19. Jahrhundert.

Mit der Fahrt über die Provinzgrenze nach Alberta ändert sich am Landschaftsbild erst mal nicht viel. Vielleicht stehen etwas mehr Rinder auf den Weiden und ab und zu die ein oder andere Ölförderpumpe, aber das war es auch schon. Es dauert noch weitere 250 Kilometer, bevor wir den ersten Blick auf die Rocky Mountains erhaschen. Der erste Ort, den wir passieren, wird in unserem Reiseführer als trockenster Ort Kanadas bezeichnet. Bei uns regnet es…

 

Langsam kommen wir auch immer höher. Ohne unser GPS hätten wir es wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass wir in Calgary bereits auf 1.000 Metern sind.

 

Unser erstes Ziel in den Rockies ist Kananaski Country, ein Gebiet mit mehreren Provincial Parks südlich der bekannten Nationalparks Banff und Jasper. Wir sind begeistert von den immer größer wirkenden, schneebedeckten Gipfeln, die teilweise in düsteren Regenwolken verschwinden. Einer kleinen Studie von uns zur Folge halten sich Rocky-Mountain-Schafe streng an Verkehrsschilder. Unmittelbar hinter jedem der drei Warnschilder, die wir passiert haben, tauchten auch welche auf und spazierten munter über die Fahrbahn. Bei Elchen waren es nur zwei bei gefühlten 100 Warnschildern, bei Bären bisher keiner. Ich möchte mich hier aber nicht auf eine Allgemeingültigkeit dieser Aussage festlegen…

 

Dass wir bei unserem Toyo ab einer Höhe von 2.500 Metern mit leichten Rauchwolken und Leistungseinbußen rechnen müssen, wissen wir schon seit unserer Alpentour. Als wir auf dem Campingplatz im Peter Lougheed Provincial Park auf 1.700 Metern ankommen, können die Autos hinter uns aber kaum noch was sehen (wie bei einer Verfolgungsjagd in James Bond Filmen, nur langsamer) und wir haben echte Mühe die sanft ansteigenden Berge hinaufzukommen, da sich unser Toyo immer wieder verschluckt. Auch wenn der Campingplatz sehr schön war, konnten wir das Lagerfeuer am Abend nicht wirklich genießen. Und so beschließen wir am nächsten Morgen wieder zurück Richtung Calgary zu fahren, schließlich wird die Werkstattdichte in den Rockys nicht größer.

 

Mit Hilfe des netten Mädels an der Rezeption finden wir eine Toyotawerkstatt auf dem Weg Richtung Calgary, wo wir noch am selben Tag einen Termin bekommen haben. Unser Auto wird von sämtlichen Mitarbeitern begeistert bestaunt. So einen Toyota haben sie hier noch nie gesehen. Der Mechaniker, der ihn schließlich in die Werkstatt fährt, beruhigt uns mit den Worten, dass er eigentlich keine Ahnung von Dieselfahrzeugen hat, aber guckt was er machen kann. Schluck... Gut drei Stunden sitzen wir auf den schicken Ledersofas im riesigen Verkaufsraum der Toyotaniederlassung in Cochrane und bekommen den kostenlosen Kaffee kaum runter, denn wir wissen, dass der Stundenlohn bei $130 liegt. Endlich kommt der Servicemitarbeiter zu uns und entschuldigt sich, dass sie uns leider nicht helfen können (in Kanada gibt es einfach so gut wie keine Dieselfahrzeuge), aber dass sie eine Werkstatt in Calgary gefunden haben, die uns wahrscheinlich helfen könnte. Wir können es kaum glaube, dass sie uns für die Suche nichts berechnen wollen. So was habe ich in Deutschland noch nicht erlebt. Da wir in der anderen Werkstatt erst für in einer Woche einen Termin bekommen haben, kriechen wir erst mal zum nächstgelegenen Campingplatz noch unschlüssig, was wir tun sollen.

 

Der Platz ist landschaftlich nicht besonders schön, aber wir haben eh keine große Wahl. Und so können wir zumindest die sauberen Duschen genießen und die unglaublich riesigen Wohnmobile der kanadischen (Dauer-)Camper bestaunen, die ohne Full-Huck-Up (fester Strom-, Wasser- und Abwasseranschluß) nicht auskommen. Beim fotografieren eines alten Greyhound Busses lernen wir Gail und Jim kennen, die schimpfend und lachend aus ihrem Bus aussteigen. Eh wir uns versehen sitzen wir in ihrem Luxuscamper mit Sofa, Flachbildfernseher (elektrisch ausfahrbar), Waschmaschine, Trockner und was man sonst so braucht und trinken ein Glas Wein bzw. Bier. Die beiden leben bereits seit über vier Jahren in diesem Bus und bereisen Kanada und die USA. Zurzeit sind sie quasi auf Heimaturlaub. Als wir wieder zu unserem Toyo gehen, haben wir nicht nur eine Tüte mit Cookies und Kräckern dabei (Gail war der Meinung wir könnten die besser gebrauchen als Jim, der auf Diät ist), sondern auch viele Tipps, wo wir noch hinfahren sollten. Und was am wichtigsten ist, eine Adresse von einer kleinen Werkstatt nur 10 Kilometer weiter auf einer Ranch mit einem Bastler, der auch ihren Dieselbus wieder in Gang gebracht hat.

 

Direkt am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg dorthin. Wie Jim beschrieben hat, können wir die Adresse nicht verfehlen, da der Vorgarten zugestellt ist mit Bussen, Trucks und sonstigen Gefährten. Jacques ist super nett und guckt sich sofort unseren Toyo an. Man merkt sofort, dass er weiß was er tut und jetzt wissen wir immerhin, dass irgendetwas mit der Einspritzung nicht stimmt. Da Jacques aber nicht alle Spezialwerkzeuge hat, arbeitet er mit einer Werkstatt in Calgary zusammen. Da mittlerweile Samstagnachmittag ist, wird vor Montag sowieso nichts laufen.

 

Die Nacht von Sonntag auf Montag verbringen wir auf einem Truckstop in der Nähe der Werkstatt zwischen laufenden LKW-Motoren. Am nächsten Morgen gönnen wir uns ein Frühstück im Diner und sind fast überfordert bei den ganzen Entscheidungen, die wir so früh am Morgen treffen müssen. Kaffee mit oder ohne Koffein? Medium oder dark roast? Mit Milch oder Zucker? Die Milch full fat, 2% oder low fat? Zu essen wollte wir eigentlich nur Blaubeerpfannkuchen und Omelette, aber das ist ja kein vollständiges kanadisches Frühstück. Also die zwei Eier als Rührei, sunny-side-up, easy-over oder weichgekocht? Speck oder Würstchen? Toast als Weizen oder Vollkorn, English Muffins oder Bagels?

 

Um 8:00 Uhr stehen wir vor Ernie in seiner Werkstatt GCL Diesel Fuel Injection in Calgary. Leider bekommen wir heute keinen Termin mehr, aber dafür schon mal eine Flasche Dieselconditioner geschenkt. Schließlich sei die Dieselqualität hier eine Katastrophe. Mmh, eigentlich hatten wir damit erst ab Mittelamerika gerechnet.

 

So verbringen wir den Tag im Heritage Park Historical Village, einem Freilichtmuseum das Kanadas Westen im 19. Jahrhundert zeigt. Während wir uns in den orginal Häusern dieser Zeit von den Bewohnern (verkleidete Schauspieler) ihre Geschichten erzählen lassen, bekommen wir kaum mit, wie die Rockys in der Ferne hinter grauen Wolken verschwinden und es wieder anfängt zu regnen. Wir hören Geschichten von den ersten weißen Siedlern, Missionaren, Pelzhändlern und First Nations (politisch korrekt für Indianer). Und nur die Blackfoot Indianerin im Tipi ist keine Schauspielerin und erzählt Ihre eigene Geschichte, der wir gerne noch länger gelauscht hätten.

 

Die Nacht verbringen wir auf einem Campingplatz in der Nähe. Am nächsten Morgen rufen wir Ernie an und dürfen direkt vorbeikommen. Nach fünf Stunden sind der Dieselfilter gewechselt, die Einspritzdüsen überprüft und der Einspritzzeitpunkt angepasst. Nach der dritten Probefahrt fragen wir mal nach, was denn jetzt noch nicht stimmt. Weil Qualm haben wir keinen mehr gesehen. Irgendwie hat der Wagen noch keine Power, meint der Mechaniker. Wir müssen lachen. Hat doch unser Toyo nur 130 PS und ist mit 3.200 Kilo voll beladen. Kein Vergleich zu den 8-Zylinder Pick-Ups, die hier sonst gefahren werden. Also geht Lukas noch mal mit auf Probefahrt und siehe da, er läuft besser als vorher. Und so fahren wir erleichtert in strömenden Regen wieder in die Rockies.


Alberta II und ein bisschen British Columbia

19.06. – 03.07.2012

Weltbekannte Nationalparks, schneebedeckte Berge, türkisfarbene Seen, Gletscher, jede Menge Wildlife, Abende am Lagerfeuer und, ach ja, Regen.

Diesmal klettert unser Toyo ohne Probleme die Rockies hoch ins Kananaski Country. Aber als wir im strömenden Regen auf dem Campingplatz im Peter Lougheed Provincial Park ankommen, haben wir noch keinen Blick dafür, wie schön dieser Platz eigentlich ist. Das fällt uns erst am nächsten Morgen auf, nachdem der Regen aufgehört hat. Wir stehen umgeben von hohen Nadelbäumen mit Blick auf einen von schneebedeckten Gipfeln eingerahmten Bergsee. Und so beschließen wir spontan länger zu bleiben.

 

Mittlerweile sind wir im „Bärenland“ und werden überhäuft mit Infos, wie man sich zu verhalten hat. Keine Lebensmittel, keinen Müll, keine Kosmetika unbeaufsichtigt draußen liegen lassen und nicht mit ins Zelt nehmen. Nachts oder wenn man den Campingplatz verlässt alles im festen Fahrzeug verschließen. Wozu unsere Toyo mit Aufstelldach (Zelt oder Fahrzeug) jetzt gehört, kann uns allerdings keiner sagen. Die Müllcontainer haben einen Bärensicheren Verschluss und auf Wanderungen sollte man nie ohne Bärenspray gehen (auch nicht den kurzen Weg zum Toilettenhäuschen) und dazu noch jede Menge Lärm machen. Eigentlich gibt es dafür Bärenglöckchen zu kaufen. Wir haben uns aber unsere eigene aus einer Dose mit Münzen gebastelt, die wesentlich lauter ist. Außerdem erkennt man nach Aussage einiger Ranger an den Glöckchen im Kot, den man auf den Wegen sieht, dass ein Bär in der Gegend ist. Und so sind wir nach unserer ersten Wanderung hier zwar nicht sonderlich ko, aber unsere Stimmen sind heiser und unsere Arme sind vom Rütteln der Dose lahm.

 

Als wir abends gemütlich am Lagerfeuer sitzen und mal wieder Hotdogs und Marshmallows grillen, kommen immer wieder Ranger mit einer Peilantenne vorbeigefahren. Anscheinend ist eine Grizzlybärin mit ihren drei Jungen heute über den Campingplatz gelaufen. Wir sind uns nicht sicher, ob wir uns ärgern oder froh sein sollen, dass sie nicht bei uns vorbeigekommen ist…

 

Am nächsten Morgen ist traumhaftes Wetter. Während ich das Frühstück vorbereite höre ich plötzlich Hufgetrappel und kann es kaum glauben, als hinter unserem Toyo ein Elch auftaucht und munter vorbeitrabt. Er verschwindet kurz zwischen den Bäumen hinterm Plumpsklo, um dann am Ufer des Sees wieder an uns vorbeizulaufen. Ich bin so baff, dass mir glatt die Toasts anbrennen. Meistens sind unsere Besucher beim Frühstücken aber deutlich kleiner. Da gibt es Eichhörnchen, die meckernd von Baum zu Baum flitzen oder Erdhörnchen, die sich Verfolgungsjagten zwischen unseren Füßen liefern, plötzlich erschrocken aufschauen und wieder in ihren Bauten verschwinden.

 

Nach dem Frühstück wird es Zeit uns mal wieder bei unseren Eltern zu melden und so stehen wir kurze Zeit später an einer Telefonzelle mitten in der Wildnis mit traumhaftem Panorama. Wieder tauchen die Ranger mit der Peilantenne auf und steigen aus. Neugierig wie wir sind folgen wir ihnen. Und tatsächlich, nur 150 Meter von uns entfernt im Tal, läuft die Grizzlybärin mit ihren Jungen über den Wanderweg, den wir tags zuvor noch gegangen sind. Wow! Mit Platzpatronen verscheuchen die Ranger die Bärenfamilie zurück in den Wald, damit sie lernen sich nicht in der Nähe von Menschen aufzuhalten. Wohl für beide Seiten das Beste.

 

Immer noch total beeindruckt erklimmen wir den Canadian Mount Everest (natürlich kein Vergleich zum Echten) und machen einen Ausflug zum höchsten befahrbaren Pass Kanadas, den Highwood Pass mit gerade mal 2.206 Meter. Das Bergpanorama war wirklich sehr schön, nur von den Grizzlys, die es hier geben soll, haben wir keinen gesehen. Am Ende des Tages belief sich unsere Wildlife-Watching-Bilanz aber immerhin auf eine Grizzlybärin mit drei Jungen, vier Elche, eine Herde Rocky-Mountain-Schafe, fünf Rehe, einen Hirsch und unzählige „Hörnchen“ (Eichhörnchen, Erdhörnchen, Chipmuncks und so weiter). Lukas könnte dabei glatt als Wildlife-Guide anfangen, da die Mehrzahl der Entdeckungen auf seine Kappe gehen.

 

Nach drei Tagen verlassen wir Kananaski Country und fahren Richtung Norden zu den berühmten Nationalparks. Nachdem wir am Anfang unserer Reise noch weit vor der Saison unterwegs waren, und Zentralkanada touristisch eher nicht so besucht ist, waren wir nicht wirklich auf den Trubel hier vorbereitet. Schon bei der Einfahrt in den Nationalpark Banff sind wir fast überfordert von den zehn Spuren mit Kassenhäuschen und zum ersten Mal wird unser Jahrespass für die Nationalparks kontrolliert. Unser erster Halt ist die Touristeninfo in Banff. Und mal wieder hören wir, dass es so viel wie zurzeit schon lange nicht mehr geregnet hat und das normalerweise auch nicht mehr so viel Schnee liegen würde. Na super! Es regnet sogar so viel, dass die wichtigste Verkehrsverbindung über die Rockies, der Trans Canada Highway, droht überflutet und damit geschlossen zu werden. Auf der anderen Seite der Rockies ist dies wegen einer Schlammlawine schon geschehen.

 

Auch wenn die Berge zum Wandern rufen, erledigt sich die Hausarbeit nicht von allein. Also geht es erst mal zum Waschsalon (natürlich wie in amerikanischen Action-Filmen in chinesischer Hand). Leider macht sich mittlerweile bemerkbar, dass nordamerikanische Waschmaschinen (diese riesen Teile, die von oben beladen werden und aussehen wie ein Mixer) nicht mit deutschen mithalten können. Es gibt zwar immerhin bei den Waschprogrammen die Auswahl zwischen kalt, warm und heiß, aber heiß hat bei weitem nichts mit Kochwäsche bei uns zu tun. Während unsere Waschmaschinen das Wasser in der Maschine aufheizen, waschen hiesige Waschmaschinen mit dem heißen Wasser aus der Leitung, was vielleicht maximal 50 Grad beträgt. Ach ja, und ein Waschprogramm dauert immer 25 Minuten! Man kann sich vielleicht vorstellen, wie unsere Jeans nach einem Tag auf einem matschigen Campingplatz trotz waschen aussehen. Auch die Trockner sind so eine Herausforderung. Wir haben uns schon gewundert, dass ein Trockengang hier nur 25 Cent kostet. Allerdings dauert er auch nur vier Minuten. Auf die Idee, dass man gleich mehrere Münzen einwerfen kann und der Trockner nicht jedes Mal innerhalb von vier Minuten wieder abkühlt, sind wir erst gekommen, als unsere Wäsche nach einer halben Stunde immer noch nicht trockener war.

 

Nachdem die Wäsche dann doch irgendwann einigermaßen sauber und trocken war, machen wir uns auf den Weg zum Johnston Canyon Campground, unserem ersten Übernachtungsplatz im Banff Nationalpark und erleben unseren ersten Wildlife-Stau. Ein prächtiger Hirsch mit schönem Geweih grast friedlich am Straßenrand und sämtliche Fahrzeuge (egal ob Pickup, Camper, Motorrad oder Fahrrad) stehen am Straßenrand und versuchen einen guten Platz fürs Foto zu finden. Echt unglaublich!

 

Wir sind wenig überrascht, als es am nächsten Morgen wieder regnet. Da wir an dem Wetter aber nichts ändern können, machen wir es einfach wie die Kanadier und gehen trotzdem los. Naja, zumindest fast wie die Kanadier. Während diese trotz Regen und Kälte kurze Hosen tragen, ziehen wir lange Hosen, beziehungsweise die Frostbeule von uns beiden Thermohosen, vor.

 

Die ersten drei Kilometer auf der Wanderung durch den Johnston Canyon zu den Inkpots müssen wir uns den Weg durch die enge Schlucht noch mit unzähligen anderen Touristen teilen, aber danach wir der Weg wieder einsamer. Der sonst auf Fotos klare Bach ist durch den vielen Regen zu einem reißenden braunen Strom geworden und lässt uns spüren, wie die Kraft des Wassers den Fels geformt hat. Am Ziel unserer Wanderung ist der Canyon einem weiten Tal gewichen an dessen Rand fünf Quellen aus dem Sandstein sprudeln und fünf kleine Seen mit den unterschiedlichsten Farben entstehen lassen. Nachdem es fast die gesamte Wanderung geregnet hat, kommt auf den letzten Metern aber tatsächlich noch die Sonne raus und wir können unser Lagerfeuer am Abend doch trocken genießen.

 

Abendliche Lagerfeuer sind mittlerweile ein fester Bestandteil unseres Tagesablaufs. Inzwischen so weit optimiert, dass Lukas das Feuer auch bei strömendem Regen ans Laufen bekommt. Leider ist jetzt aber auch einer unserer Regenschirm quasi unbrauchbar.

 

Auf der Weiterfahrt zum Lake Louise sehen wir unseren ersten Schwarzbären am Straßenrand. Er ist ja sooooo süß, wie er den Löwenzahn futtert! Dabei habe wir uns Bären vorher noch nie grasend vorgestellt. Bis wir die Nationalparks in den Rockie wieder verlassen, werden wir noch weitere zehn Schwarzbären (vielleicht aber auch den einen oder anderen davon zwei Mal) und einen jungen Grizzly sehen. Wir sind immer wieder begeistert von den Tieren, aber auch schockiert, was so ein Bär am Straßenrand für einen Stau auslösen kann. Sämtliche Fahrzeuge bleiben zum Teil mitten auf der Straße stehen oder drängeln sich aneinander vorbei um ja den besten Platz fürs Foto zu haben. Einige Leute steigen sogar aus und meinen den Bären anlocken zu müssen, oder ihm hinterher zu laufen. Kein Wunder, dass es doch ab und zu zu Unfällen kommt.

 

Mittlerweile sind wir ja mit Bärenschutzmaßnahmen bestens vertraut. In Lake Louise sind wir aber das erste Mal auf einem Campingplatz komplett von einem Elektrozaun umgeben. Na da kann ja nichts mehr passieren.

 

Nachdem wir immer noch ein wenig platt waren von der Wanderung am Canyon, beschließen wir den Lake Moraine, der so malerisch türkis zwischen steilen Felsen und unzähligen Tannen liegt, bei einem Picknick von einem der Aussichtspunkte zu genießen und die nächsten Tage zu planen. Dabei stellen wir fest, dass unser Großeinkauf in Calgary, der kaum in unsere Schränke gepasst hat, wohl doch nicht mehr reicht, bis wir aus den Nationalparks wieder raus kommen und die kleinen Läden hier sind einfach unverschämt teuer. Also fahren wir kurzerhand noch mal zurück nach Banff zum Einkaufen.

 

Am nächsten Tag wird es aber wieder Zeit den unzähligen Kalorien von diesen klebrig, süßen Donuts, saftigen Muffins und knusprig, fluffigen Marshmallows zu Leibe zu rücken. Die Wanderung am Lake Louise vorbei zu den „Plain of Six Glaciers“ ist dafür genau das Richtige. Während Lake Louise im vorderen Bereich noch vom bekannten 5-Sterne Hotel und unzähligen Touristen dominiert wird, kommt auf der Wanderung am Ufer entlang und weiter den Hang hinauf die Schönheit des Sees richtig zur Geltung. Fast schon zu perfekt liegt er zwischen den Bergen und hat so ein intensives türkis, dass man meinen könnte es hätte jemand einen Eimer Farbe rein geschüttet. Wir kämpfen uns immer weiter durchs Gletscherschertal den Berg hinauf über Schneefelder und Geröll, bei abwechselnd warmen Sonnenschein, Regen, Schnee und eiskaltem Wind (manchmal auch alles gleichzeitig). Das Ende des Wanderweges können wir aufgrund des vielen Schnees leider nicht erreichen, aber die Aussicht auf die karge Bergwelt und die Gletscher ist trotzdem unglaublich. Vor allem der Obere Victoria Gletscher, der Lake Louise speist und beängstigend über einer steilen Felskante hängt. Da der Regen und Schnee eine kurze Pause einlegt, machen auch wir es uns bequem, packen unsere Sandwiches aus und betrachten das beeindruckende Panorama.

 

Auf dem Rückweg nehmen wir einen etwas höher liegenden Wanderweg. Als wir am Abzweig zum Lake Agnes vorbeikommen, waren wir eigentlich schon ziemlich platt. Aber die 400 Meter schaffen wir doch auch noch. Leider gingen die aber wieder verdammt steil nach oben, über weitere Geröll- und Schneefelder und jede Menge Matsch zum teilweise noch gefrorenen See. Während Lukas noch mit Leichtigkeit die Berge hochläuft, meint er, dass ich eher wie unser Toyo – in Geländeuntersetzung – bin. Ich komme über all hoch, nur eben etwas langsamer. Am Ende des Tages haben wir 17,2 Kilometer und über 400 Höhenmeter, den ein oder anderen davon doppelt, zurück gelegt.

 

Von Lake Louise aus machen wir einen kurzen Abstecher nach British Columbia in den angrenzenden Yoho Nationalpark. Als wir am „Spiral Tunnel“ vorbeikommen haben wir das Glück, dass gerade ein Zug angerollt kommt. Gebaut wurden die Spiral Tunnel weil die Steigung über den Kicking Horse Pass zu groß war. Da die kanadischen Züge so unglaublich lang sind, kann man sie gleichzeitig bei der Ein- und Ausfahrt aus dem Tunnel sehen. Nach einem Stopp am Emerald Lake, wo wir die seltenen Sonnenstrahlen auf einem Bootssteg genießen, und den Takakkaw Falls fahren wir zum Kicking Horse Campground, wo wir Lindsay und Travis aus Calgary kennenlernen. Wir haben unglaublich viel Spaß, quatschen am Lagerfeuer und als es anfängt zu regnen, feiern wir im Auto weiter. Erst als es schon wieder hell wird, kriechen wir in unseren Toyo. Da die Nacht verdammt kurz war, müssen wir noch einen Nacht länger bleiben und fast hätten wir verschlafen unseren Stellplatz für eine weitere Nacht zu buchen.

 

Wieder zurück in Alberta fahren wir auf dem Icefield Parkway Richtung Jasper Nationalpark. Auf dem Weg machen wir am Lake Peyton halt. Um den anderen Besuchern zu entfliehen wandern wir ein paar Kilometer vom offiziellen Aussichtspunkt weg. Wir entdecken zwei süße Murmeltiere und haben den Blick auf den See für uns allein. Man könnte meinen, dass wir inzwischen doch genug Seen gesehen hätten. Aber es ist echt unglaublich. Jeder See hier leuchtet in einer anderen Farbe. Von smaragdgrün bis tiefblau und das Wasser ist glasklar bis milchig weiß und jeder See ist auf seine Art wunderschön.

 

Nach einer kurzen Wanderung am beindruckend schmalen und tiefen Mistaya Canyon erreichen wir einen Tag später das Columbia Icefield. Von unserem Campingplatz Wilcox Creek können wir direkt unsere Wanderung zum Wilcox Creek Pass starten. Ende des 19. Jahrhundert diente er noch als Umgehung vom Athabasca Gletscher, der damals noch über den heutigen Icefield Parkway reichte. Vier Kilometer soll es auf der gegenüberliegenden Talseite vom Gletscher auf 2.375 Meter hoch gehen. Bei strahlend blauem Himmel gehen wir auf dem anfangs sehr guten Wanderweg los. Der Ausblick auf die Gletscher und das Tal ist wirklich toll. Weiter oben ist der Weg auf Grund von Schneefeldern, unzähligen Bächen und jeder Menge Matsch aber nicht mehr so klar zu erkennen. Und als es anfängt sich zu zuziehen beschließen wir kurz vom Ziel wieder umzukehren. Im strömenden Regen laufen wir den Berg wieder runter.

Wir sind schon fast unten als die Sonne wieder raus kommt. Da fällt Lukas auf, dass er seine Sonnenbrille nicht mehr auf hat. Wahrscheinlich liegt sie noch oben auf dem Berg, wo er seinen Pullover aus dem Rucksack geholt hat. Eigentlich hatten wir nach der langen Wanderung am Lake Louise keine Lust mehr auf so lange Touren. Aber jetzt heißt es noch mal den Berg rauf und Sonnenbrille suchen. Dank GPS-Gerät und Track-Back-Funktion finden wir sie und sind sogar in zweidrittel der Zeit hoch und wieder runter, sogar bevor es wieder anfängt zu regnen. Total fertig mit der Welt schlafen wir nach einem kurzen Abendessen sofort ein.

 

Man könnte auch mit einem Ungetüm von Bus auf den Athabasca Gletscher fahren, aber irgendwie kam uns das doch komisch (und vor allem unverschämt teuer) vor. So sind wir nur per pedes bis zum Fuß des Gletschers gelaufen, vorbei an den ganzen Schildern wieweit der Gletscher vor ein paar Jahren noch reichte. 40 % seines Volumens hat er in den letzten 125 Jahren bereits verloren. An Jasper vorbei erreichen wir den Maligne Lake, wobei uns die Fahrt dorthin am Maligne Fluss entlang besser gefällt als der See selber.

 

An unserem letzten Abend im Nationalpark können wir tatsächlich bei blauem Himmel (die Sonne geht erst nach zehn Uhr unter) und angenehmen Temperaturen am Lagerfeuer sitzen. Der Versuch Popcorn überm Feuer zu machen ist kläglich gescheitert, so dass wir doch weiter bei Marshmallows bleiben. Während man in allen anderen Provincial- und Nationalparks immer für ein Bündel Feuerholz zahlen musste, gibt es im Banff, Yoho und Jasper Nationalpark eine „Fire Permit“, die pro Tag gezahlt werden muss. Dafür kann man sich aber so viel Feuerholz hohlen, wie man möchte.

 

Ach ja, Lukas hatte inzwischen das Gefühl, dass seine Haare viel zu lang sind. Also habe ich kurzerhand zum Rasierer gegriffen. Es wäre fast eine Katastrophe geworden, aber am Ende war das Ergebnis gar nicht so schlecht. Bis zum Ende der Reise werde ich aber noch viele Gelegenheiten haben meine Fähigkeit als Friseurin zu verbessern. Aber das sieht ja eh keiner, denn ab jetzt geht es in den einsamen Norden.


Britsh Columbia I und noch ein bisschen Alberta

03. – 10.07.2012

Der berühmte Alaska Highway, beeindruckende Landschaften, heiße Quellen, Bisons auf der Straße und Milliarden von Mücken.

Für die letzten Kilometer in Alberta entscheiden wir uns für eine Forestry Trunk Road, die laut Reiseführer eine mäßig gepflegte aber attraktive Schotterstraße durch dichtes Waldgebiet sein soll. Zumindest mit ersterem hat er recht, denn die Straße macht zwar Spaß, ist aber eine Katastrophe mit unzähligen Schlaglöchern. Das mit dem dichten Wald stimmt nur bedingt, denn der Wald wird immer wieder durch gerodete Flächen und junge aufgeforstete Waldstücke unterbrochen. Wir finden im Wald in der Nähe eines Flusses eine Recreation Site der Forstbetriebe, wo man kostenlos campen kann. Sogar Plumpsklos, Picknicktische und Feuerstellen stehen zur Verfügung. Nur für das Feuerholz müsste man, wie die Kanadier, eine Kettensäge dabei haben.

 

Am nächsten Morgen meint es auch endlich das Wetter gut mit uns. Die Sonne scheint und das Thermometer klettert seit langem Mal wieder über 15°C. Leider heißt das aber auch, dass wir wieder regelmäßig Blutspenden. Nein, nicht beim kanadischen Roten Kreuz. Sondern bei diesen ganzen kleinen Mistviechern. Mittlerweile haben wir nicht nur Bekanntschaft mit Mosquitos und Blackflies gemacht, sondern auch mit Bremsen und No-See-Ums (das sind so winzig kleine beißende Fliegen, dass man sie mit dem bloßen Auge kaum erkennt).

 

Wir verlassen wieder die Schotterstraße und auf einem gut ausgebauten Highway passiert es. Ein entgegenkommender LKW schleudert mit voller Wucht einen Stein genau auf unsere Windschutzscheibe. Mist! Die nächste Stadt liegt bereits in „Beautiful British Columbia“ und zum ersten Mal begrüßt uns eine Provinz ohne Regen. Wir fahren direkt eine Autoglasbude an, aber leider lässt sich der Steinschlag nicht reparieren, da sich schon nach wenigen Metern die ersten Risse gebildet hatten. Erstaunlicherweise wäre eine passende Windschutzscheibe in einer Stunde verfügbar. Da der Schaden aber nicht im Blickfeld liegt und die üblen Straßen ja eigentlich erst kommen, entscheiden wir uns zumindest bis Vancouver so weiter zu fahren.

 

Gegenüber der Autoglaswerkstatt findet gerade eine kleine Rinderauktion statt. Neugierig wie wir sind, gehen wir einfach rein und verfolgen eine Weile fasziniert das Treiben. Wir schaffen es aber einfach nicht den Auktionator zu verstehen oder zu erkennen, wer jetzt wann geboten hat.

 

Wir passieren in Dawson Creek die „Mile Zero“ vom berühmten Alaska Highway. Allerdings sind die ersten Kilometer wenig spektakulär. Die Straße geht schnurrgerade durch Farmland und dichtes Waldgebiet. In Fort St. John machen wir noch einen Großeinkauf und packen unsere Schränke mit Nudeln und Konserven randvoll. Unser Toyo bekommt noch einen Ölwechsel, wir lassen die Reifen durchwechseln und füllen alle Dieseltanks auf. Ab jetzt werden die Distanzen von Tankstelle zu Tankstelle und Supermarkt zu Supermarkt immer größer und die Preise immer saftiger.

 

Auch in British Columbia gibt es immer wieder Forest Recreation Sites (mit Picknicktisch, Feuerstelle und Plumpsklo), auf denen fast überall kostenlos gecampt werden darf. Und so verbringen wir zwei Nächte am Inga Lake, wo wir einen Platz direkt am von Wald eingerahmten See finden. Wir verbringen einen ganzen Tag nur mit sonnen (mittlerweile ist das Thermometer auf über 25°C geklettert), lesen, faulenzen und Fische beobachten, die immer wieder aus dem Wasser springen, abgesehen natürlich vom Frühstück machen und abends Lagerfeuer anschmeißen fürs Essen. Ach ja, und unser Toyo wird, da es nicht mehr regnet, endlich mal durchgelüftet, samt Matratze und Bettwäsche und unsere Handtücher können endlich mal richtig trocknen.

 

Mittlerweile haben wir gar kein Gefühl mehr dafür, welcher Wochentag eigentlich ist. Da man in Kanada auch samstags und sonntags bis spät in die Nacht einkaufen kann, ist das ja auch kein Problem. Als sich der Stellplatz aber immer mehr mit Kanadiern füllt, wissen wir, dass Wochenende steht wieder vor der Tür. Da unser Auto und Kennzeichen wie immer neugierige Fragen aufwerfen, enden wir mal wieder in einer großen Runde Kanadier am Lagerfeuer mit einer Dose Bier in der Hand. Später gesellt sich auch noch ein US-Amerikaner aus Texas dazu, der gerade auf der Durchreise nach Alaska ist.

 

Wir lauschen interessiert den Gesprächen zwischen dem Kanadier und dem Texaner über Politik und Waffen. Dabei fragen wir uns wie wir ihnen verständlich machen können, dass wir uns noch nie in unserer Freiheit eingeschränkt gefühlt haben, weil wir keine Waffe besitzen dürfen!? Sondern eher das Gefühl haben uns in Europa freier bewegen zu können, weil nicht jeder eine Waffe hat. Wir lernen noch, dass nicht alle Texaner Republikaner sind und Waffen eine gute Geldanlage wären. Als wir um Mitternacht ins Bett gehen ist es immer noch nicht ganz dunkel. Wir nähern uns dem Norden.

 

Nach weiteren dreihundert Kilometern langweiliger Fahrt über den Alaska Highway erreichen wir Fort Nelson, eine ausgesprochen hässliche Stadt. Eine staubige Hauptstraße führt vorbei an vier Tankstellen (mittlerweile ist der Dieselpreis von sonst $ 1,049 auf saftige $ 1,519 gestiegen), drei Banken, einem Supermarkt und einer Touristeninfo.

 

Wir übernachten wieder auf einer Recreation Site am Beaver Lake, wobei man von dem See leider nichts sieht. Am nächsten Morgen muss Lukas aber erst mal zur Arbeit, während ich Frühstück mache. In der Werkstatt in Fort St. John haben sie es tatsächlich geschafft jeden Reifen mit einem anderen Luftdruck zu füllen, zu viel Öl rein zu kippen und die Ablassschraube nicht richtig anzuziehen.

 

Langsam erreichen wir die nördlichen Ausläufer der Rocky Mountains und die Landschaft entlang des Alaska Highways wir mit jedem Kilometer beeindruckender. Er schlängelt sich durch Wälder und karge Schluchten, an Flüssen und Bächen entlang oder oben drüber, windet sich um Seen und Berge, durch Täler und über Pässe und der Straßenrand wir gesäumt von unzähligen Wildblumen. Neben diversen Bergschafen sehen wir auch unser erstes, noch recht junges, Karibu.

 

Am Muncho Lake, der bei bewölktem Himmel leider seine smaragdgrüne Farbe vor uns verbirgt, lernen wir Herrn und Frau Linke kennen. Die beiden deutschen Ruheständler haben sich vor ein paar Jahren in den USA ein Wohnmobil gekauft und fahren damit jedes Jahr für ein paar Monate durch die USA und Kanada. Beim Marschmallows grillen bekommen wir super Geheimtipps für Stellplätze und verbringen einen schönen Abend zusammen.

 

Seit wir in den Norden reisen, treffen wir immer mehr Langzeitreisende, wie zwei Mädels aus Deutschland, die mit ihren Fahrädern bis nach Panama wollen. Oder Mary und Henry aus Nova Scotia, die mit ihrem kleinen Trailer auf dem Weg nach Alaska sind. Mittlerweile haben wir die beiden auf unserem Weg schon drei Mal getroffen.

 

Unser nächstes Ziel sind die Liard River Hotsprings. Auf dem Weg dorthin begegnen uns zwei mächtige Waldbisons auf der Straße. Wir nehmen uns einen Stellplatz auf dem zugehörigen Campingplatz und haben somit freien Zugang zu den heißen Quellen. Zugegeben, bei inzwischen sommerlichem Wetter und knapp 30°C ist ein Bad im 53°C heißem Wasser nicht ganz so verlockend, aber die Abkühlung kommt, wenn man wieder rauskommt. Außerdem sind die Liard River Hotsprings wirklich wunderschön! Ein Holzsteg führt gut 500 Meter durch Sumpfgebiet zu den im Wald liegen Quellen. Durch das heiße, mineralstoffreiche Wasser erinnert die Vegetation eher an tropischen Regenwald und abgesehen von einigen Holzstegen ist das Badebecken vollkommen naturbelassen. Glasklar ist das leicht nach Schwefel riechende Wasser und wird umgeben von Farnen und Bäumen.

 

Mittlerweile sind wir echt froh über die Kopfnetze und das Moskitozelt, die wir uns nach den Stech- und Beissattacken in New Brunswick gekauft haben. Letzteres musste in den letzten Wochen aber eher als Regenschutz herhalten. Jetzt folgt es aber seiner wahren Bestimmung und schützt uns vor den angriffslustigen Viechern. Zumindest einigermaßen. Denn bei der Mosquitohölle hier tragen wir trotzdem unzählige Stiche davon. Uns ist auch noch nicht klar, wie wir es schaffen sollen das Mosquitozelt aufzubauen, ohne das sich welche mit ins Zelt schmuggeln.

 

Am nächsten Morgen zählen wir beim Frühstück gut 50 Mosquitos an dem Mosquitonetz vor der Hecktür. Und da sind die, die rumschwirren noch nicht mitgerechnet. Da kann schon der Weg zur Toilette zum reinen Horrortrip werden und es hilft nur verdammt schnell zu sein.

 

Da es heute Morgen recht kühl und der Himmel bewölkt ist, beschließen wir noch ein Bad in den heißen Quellen zu nehmen, wo wir ganz alleine die Natur und das heiße Wasser genießen können. Auf dem Weg dorthin sehen wir eine Familie an einem der Picknicktische Frühstücken. Oder besser gesagt, um einen der Tische herum. Wegen der vielen Mosquitos schafft es keiner auch nur eine Minute stillzusitzen. Stattdessen laufen alle mit den Armen fuchtelnd und essend um den Tisch. Wenn wir nicht selber so unter den Viechern leiden würden, würden wir uns kaputt lachen…

 

Kaum sind wir wieder auf dem Alaska Highway fahren wir an einer Herde Waldbisons vorbei. Bestimmt 70 Tiere mit zehn Kälbern ziehen gemächlich durch das hohe Gras am Straßenrand. Wir sind so fasziniert, dass wir bestimmt eine halbe Stunde langsam neben ihnen herfahren. Obwohl sie so ruhig daher ziehen, hat man das Gefühl, dass nichts sie stoppen könnte. Kaum vorzustellen, dass die Indianer früher ihre Verwanden aus der Prärie über Klippen jagen konnten. Auf unserem weiteren Weg bis nach Watson Lake, der ersten Stadt im Yukon, sehen wir noch eine kleinere Herde Waldbisons sowie fünf Einzelgänger und elf Schwarzbären.

 

Mal schauen, was uns im Yukon und Dawson City erwartet. Vielleicht verfallen wir ja auch dem Goldrausch…


Yukon und Northwest Territories

11. – 22.07.2012

Dichter Schilderwald, Goldrausch in Dawson City, sexy Can-Can-Girls, abenteuerliche Schotterstraßen, nächtlicher Grizzlybesuch und der nördlichste Punkt unserer Reise.

Der Alaska Highway wechselt ein paar Mal zwischen British Columbia und dem Yukon hin und her, bevor wir den Ort Watson Lake erreichen. Die einzige wirkliche Attraktion hier ist ein Schilderwald, der unsere Erwartung deutlich übertrifft. Angefangen hat es, als ein heimwehkranker Soldat aus Illinois beim Bau des Alaska Highways ein Schild seines Heimatortes aufhängte. Seit dem sind über 70.000 Reisende seiner Idee gefolgt. Fasziniert schlendern wir durch die unzähligen Schilder und staunen immer wieder über die zahlreichen deutschen Kennzeichen. Und so manch ein Bürgermeister in Deutschland wir hier mit Sicherheit seine verloren geglaubten Ortseingangsschilder wiederfinden. Wir ärgern uns ein bisschen, dass wir selber kein Schild dabei haben. Aber eigentlich liegt der Ort ja auch gar nicht auf unserer ursprünglich geplanten Route.

 

Nach weiteren gut 400 Kilometern Fahrt erreichen wir Whitehorse, die größte Stadt im Yukon mit um die 24.000 Einwohnern. Interessanterweise gibt es im Sommer Direktflüge von hier nach Frankfurt, aber nicht nach Toronto. Es ist bereits elf Uhr abends als wir ankommen, aber immer noch taghell. Wir wollen mal wieder auf einem Walmart Parkplatz übernachten und sind baff, als wir sehen, dass über die Hälfte des Parkplatzes schon mit Campern belegt ist. Das ist auch der erste Walmart den wir sehen, bei dem ein Schild den Bereich für Camper und den für normale Kunden ausweist. Wir stellen uns neben einen weißen Landy aus Baden-Württemberg und lernen am nächsten Morgen Jasmin kennen, die mit ihrem Freund Bernhard (der gerade auf Heimaturlaub ist) bereits vor drei Jahren in Argentinien ihre Reise begonnen hat. Während wir quatschen kommt ein älterer Herr vorbeigefahren (da er Probleme mit der Hüfte hat, erledigt er alles aus seinem alten 7er-BMW heraus). Er kommt eigentlich aus Kiel und ist mit 25 Jahren nach Kanada ausgewandert. In seiner nordischen Art erzählt er uns seine halbe Lebensgeschichte, fragt immer wieder nach deutschen Wörtern, die er vergessen hat und lästert über die englische Sprache.

 

In Whitehorse finden wir nach gut 1.500 Kilometern seit unserem Steinschlag auch endlich eine Werkstatt, die ihn reparieren kann. Was man sich zu Hause kaum vorstellen kann, ist das die Provinz Yukon alleine etwas größer als Deutschland ist, aber nur einen Bruchteil der Einwohner hat. (Yukon: 482.443 km² mit 33.897 Einwohner; Deutschland: 357.121 km² mit 81,859 Millionen Einwohner). In diesem riesen Gebiet gibt es gerade mal drei Städte die Vollversorgung mit Krankenhaus, Zahnarzt usw. bieten.

 

Wir biegen hinter Whitehorse vom Alaska Highway ab, um über den Klondike Highway weiter nach Norden zu kommen. Nach weiteren gut 500 Kilometern, drei braunen Schwarzbären am Straßenrand und unseren ersten Bibern, dem Nationaltier Kanadas, erreichen wir die Goldgräberstadt Dawson City. Allerdings müssen wir leider feststellen, dass die besten Claims schon vergeben sind. Also wird wohl doch nichts daraus unsere Reise mit Gold zu finanzieren…

 

Dawson City ist ein faszinierender Ort. Seit Anfang des 19. Jahrhundert, als der Ruf des Goldes viele Abenteuer hierher rief, scheint sich kaum etwas geändert zu haben. Die Straßen sind aus Schlamm, die Bürgersteige aus Holzbohlen, die Holzhäuser leuchten in bunten Farben und im ältesten Casino Kanadas tanzen die Can-Can Girls.

 

Als wir einen Expedtions-LKW mit deutschem Kennzeichen sehen, erkennen wir sofort den Wagen von Benny und Steffi. Die beiden sind seit einem Jahr unterwegs und wir haben schon zu Hause begeistert ihre Reiseberichte gelesen. Wir treffen uns abends auf dem Midnight Dome, einen Hügel von dem man eine tolle Aussicht auf die Stadt und den Yukon River hat, wieder, wo wir die Nacht verbringen. Den halben nächsten Tag verbringen wir mit quatschen, Aussicht genießen und leckerem Apfelkuchen, bis die Ruhe von einer Hochzeitsgesellschaft gestört wird.

 

Wir staunen nicht schlecht, als neben unserer Bank auf dem Gipfel des Hügels, Stühle, Lautsprecher und Blumen aufgebaut werden. So werden wir unerwartet Zeugen einer kanadischen Trauung. Allerdings finden die Jungs nach einer Weile den gerade startenden Gleitschirmflieger spannender.

 

Kurz vor Dawson City biegt der berühmt berüchtigten Dempster Highway nach Inuvik ab. Eine 735 Kilometer lange Schotterstraße (was in etwa der Strecke Hamburg – München entspricht). Es ist die einzige Straße in Kanada, die den Polarkreis überquert, und Inuvik ist der nördlichste Ort Kanadas, den man zu dieser Jahreszeit mit dem Auto erreichen kann. Nur im Winter führen Eisstraßen weiter hinauf. Auf der gesamten Strecke passiert man ein Roadhouse mit Tankstelle und Hotel und zwei Ortschaften mit wenigen hundert Einwohnern. Außerdem müssen zwei Flüsse mit kostenlosen Fähren überquert werden.

 

Warum man freiwillig in eine solche Sackgasse fahren will? Ganz einfach: Abenteuerlust und unglaublich schöne Landschaften.

 

Bevor es los ging, erkundigten wir uns in der Touristeninfo nach dem Wetter und den Straßenverhältnissen. Als wir das erste Mal bei unserer Ankunft in Dawson City fragten, sollte es fünf Tage Sonne geben. Zwei Tage später, am Morgen als wir losfuhren, war das Wetter nur noch wechselhaft und die erste der beiden Fähren fuhr wegen Hochwasser nicht. In Wirklichkeit erwarteten uns aber fünf Tage mit Regen.

 

Auf den ersten Kilometern ändert sich das Landschaftsbild noch nicht großartig. Dem North Klondike River folgend, stehen hohe Nadelbäume am Straßenrand. Erst als wir mit der Tombstone Range die erste Bergkette erreichen wechselt die Landschaft. Der Wald immer weniger dicht, die Bäume kleiner und schließlich gibt es nur noch Büsche, Gräser und Moos.

 

Da es gerade trocken ist, machen wir zwei kleine Wanderung durch die alpine Tundra zu Flüssen auf denen noch Eisschollen liegen und auf Berggipfel mit grandioser Aussicht.

 

Bei der Suche nach einem geeigneten Schlafplatz entdecken wir fünf junge Füchse. Vollkommen unbeschwert spielen sie in der Nähe des Fuchsbaus. Sie jagen und raufen sich, strecken sich lang im Gras aus oder zerlegen eines der Fähnchen, das eigentlich einen Wanderweg markieren soll.

 

Der Straßenbelag wechselt wie die Berge und das umliegende Gestein über die gesamte Stecke immer wieder die Farbe. Von Oker über hell- und dunkelbraun nach schwarz und grau. Auch die Qualität der Straße wechselt immer wieder. So hat man in Gegenden wo das Gestein in der letzten Eiszeit wegen zu geringen Niederschlägen nicht durch Gletscher und Flüsse zermahlen wurde, spitze Steine, die einem die Reifen aufschlitzen. An andere Stelle verwandelt sich die Straße durch den Regen in Schmierseife oder ist übersät mit Schlaglöchern. Aber es gibt auch lange Strecken die sich wunderbar fahren lassen.

 

In einem Gebiet von über 5.000 Hektar, das 1991 von einem Waldbrand zerstört wurde, leuchtet zwischen den schwarzen Baumstümpfen jetzt pinkes Fireweed, das auch immer öfter den Straßenrand schmückt.

 

Wir kommen gerade beide aus den Toilettenhäuschen an einem der Rastplätze, da kommt ein Mann auf uns zu. Er meint, dass wir hier bestimmt nicht stehen bleiben wollen, weil gleich ein Flugzeug landet. Wir gucken in wohl etwas verständnislos an. Der Rastplatz liegt direkt neben einem Testfeld für Bohrungen nach Öl und Gas. In einer viertel Stunde steht Schichtwechsel an. Also wird kurzerhand die Straße abgesperrt, wir suchen uns ein sicheres Plätzchen und schon kommt eine Propellermaschine im Tiefflug an. Sie wendet und setzt nur wenige Meter von uns entfernt auf der Matschstraße zum Landen an.

 

Als wir den Polarkreis erreichen, schlagen wir unser Nachtlager auf. Am nächsten Morgen regnet es in Strömen und wir sind in dichten Nebel gehüllt. Wir haben keine Lust aufzustehen und drehen uns noch mal um. Nach zwei Stunden aber ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Immer mehr Autos halten an, um Fotos zu machen und ein LKW nach dem anderen brettert vorbei. Ein sicheres Zeichen, dass die Fähre wieder in Betrieb ist.

 

Während wir Frühstücken überlegen wir ernsthaft, ob nicht hier der nördlichste Punkt unsere Reise ist und wir wieder umdrehen. Aber jetzt sind wir doch schon so weit gekommen. Also fahren wir doch weiter und werden mit einem der schönsten Abschnitte des Dempster Highways belohnt.

 

Langsam hört der Regen auf und manchmal kämpft sich sogar die Sonne durch. In leuchteten Feldern tanzt sie über die hügelige Tundra. Inzwischen haben wir auch die Grenze zu den Northwest Territories erreicht und wenig später gelangen wir an die erste Fähre. Da die Fähre insgesamt fünf Tage nicht gefahren ist, hat sich eine ganze Schlange LKWs angesammelt.

 

So ist es schon später Abend als wir uns Inuvik nähern und suchen uns einen Schlafplatz vor der Stadt. Mittlerweile geht die Sonne um 3 Uhr für gerade mal zehn Minuten unter. Der nächste Morgen weckt uns wieder mit Sturm und Regen, so dass wir beschließen uns ein, eigentlich zu teures, Frühstück in der Stadt zu gönnen. Schließlich haben wir hiermit den nördlichsten Punkt unserer Reise erreicht. In einer Regenpause schlendern wir durch den Ort, wo Häuser und Versorgungsleitungen wegen dem Permafrost auf Stelzen gebaut wurden. So wird ein Auftauen des Bodens verhindert, der sich sonst in einen Sumpf verwandeln würde. Als es wieder anfängt zu Regnen begeben wir uns wieder auf den Rückweg. Ab jetzt geht es für sehr lange Zeit nur noch Richtung Süden.

 

Eigentlich halten wir Ausschau nach einem Platz zum kochen, da entdecken wir einen Grizzly in der Tundra. Wir fahren extra noch zwanzig Kilometer weiter, damit er uns keinen Besuch beim Essen abstattet. Nach weiteren zwanzig Kilometern erreichen wir wieder die Grenze zum Yukon. Auf dem Parkplatz mit toller Aussicht ins Tal wollen wir die Nacht verbringen.

 

Irgendetwas hat mich geweckt. Angestrengt lausche ich nach draußen. Es regnet mal wieder und der Wind schlägt gegen die Zeltplane. Da ist es wieder... Ein leises Knirschen im Kies und dieses unmenschliche Schnaufen. Sofort bin ich hellwach. In nur einer Sekunde habe ich meine Brille geangelt, Lukas geweckt und vorsichtig das Fenster in unserer Zeltplane geöffnet. Ach du scheiße ist der riesig! Keine zwei Meter neben unserem Auto steht ein ausgewachsener Grizzly! Diese können im Norden bis zu 400 Kilo wiegen und eine Schulterhöhe von ein Meter erreichen. Und genau so ein Exemplar haben wir vor uns. Mein Herz schlägt bis zum Hals während wir ihn gebannt beobachten. Er ist wunderschön, aber auch unheimlich in seinem nassen Fell. Lukas ist schon bereit das Dach zu schließen und nach vorne auf den Fahrersitz zu klettern, sollte er sich zu uns umdrehen und sich auch nur einen Schritt in unsere Richtung bewegen. Aber nichts davon passiert. Stattdessen schlendert er gemütlich weiter über den Schotterplatz, schnüffelt kurz an den (natürlich bärensicheren) Mülltonnen und wird von den inzwischen aufgezogenen Wolken verschluckt. Von der tollen Aussicht am Abend ist nichts mehr zu sehen. Wir starren noch eine Weile ins weiße Nichts bis sich unser Herzschlag einigermaßen beruhigt hat. Erst jetzt bemerken wir wie saukalt es ist. 5°C zeigt das Außenthermometer an und im Auto ist es nicht viel wärmer. Es ist kurz vor drei und bereits hell. In einer halben Stunde wird die Sonne aufgehen. Wir aber verkriechen uns schnell wieder unter die noch warme Bettdecke. An Schlaf ist aber nicht mehr wirklich zu denken. Immer wieder meine ich dieses unheimliche Schnaufen zu hören, nur um festzustellen, dass es der Wind ist.

 

Aber jetzt wissen wir auch, warum wir immer diesen Aufwand treiben. Alle Lebensmittel gut in den Schränken verpacken, immer direkt den Müll wegschmeißen, nicht im Fahrzeug kochen und am besten immer an einem anderen Platz kochen und waschen als wir schlafen. Man möchte einfach nicht, dass irgendwelche Gerüche die Aufmerksamkeit eines solchen Bären auf das eigene zu Hause lenken.

 

Um 6 Uhr stehen wir schließlich auf und fahren weiter nach Eagle Plain, dem einzigen Roadhouse auf der Strecke, zum Frühstücken und um die heißen Duschen zu nutzen. Auf dem Weg dorthin fahren wir immer wieder durch tiefhängende Wolken, die unheimlich über die Ebenen ziehen.

 

Da es immer wieder in Strömen regnet, fahren wir doch schneller zurück als eigentlich gedacht. Nach einer weiteren Nacht erreichen wir das Ende vom Dempster Highway, wo wir vor sechs Tagen gestartet sind. Und wir genießen die Ruhe im Fahrzeug, wenn man auf glattem Asphalt fährt.

 

Wofür wir allerdings bis jetzt immer noch keine Erklärung haben, ist wie man es schafft ohne ein anderes Fahrzeug weit und breit einen weiteren Steinschlag zu bekommen. Aber irgendwie haben wir es doch geschafft.

 

Je weiter wir Richtung Süden kommen, umso besser wird auch das Wetter. Schon auf dem Weg nach Whitehorse scheint die Sonne und das Thermometer klettert über 20°C. In Whitehorse wird es dann nicht nur Zeit unsere Vorräte aufzufüllen, sondern auch unseren Toyo endlich von dem ganzen Dreck zu befreien (wir brauchen gut drei Stunden dafür) und unsere Wäsche zu waschen. Wir schaffen es nämlich immer wieder uns selber beim Ein- und Aussteigen einzusauen. Hier treffen wir auch Jasmin mit Bernhard sowie Steffi und Benny wieder. Am Abend sitzen wir auf dem Parkplatz eines Schreibwarenladens (wo es das beste freie WiFi hier gibt), packen unsere Stühle aus und quatschen bis spät in die Nacht, bevor jeder in sein Auto klettert.

 

Noch 2.700 Kilometer Richtung Süden und dann werden wir die Grenze zu den USA erreichen.


British Columbia II

22.07. – 08.08.2012

Unsere kleine Reisegruppe, ausspannen am See, Bären beim Lachsejagen, gigantische Gletscher, kanadisches Death Valley und Großstadtdschungel.

Wir schaffen es doch noch nicht wie geplant den Yukon zu verlassen. Bis wir mit Internetrecherchen, Skypen und letzten Besorgungen in Whitehorse fertig sind, ist es schon nachmittags. Zusammen mit Steffi und Benny in ihrem LKW Reisemobil fahren wir zum Teslin Lake, wo wir am Ufer unser Lager aufschlagen. Die beiden laden uns zum Essen ein und so verbringen wir einen gemütlichen Abend mit Pfannkuchen, Salat und einer Flasche Weißwein am See. Leider kommen mit dem Abend auch die Mücken, die selbst ein riesen Lagerfeuer nicht vertreiben kann.

 

Am nächsten Morgen trauen wir uns erst aus dem Auto, als die Sonne richtig scheint und die Mücken wieder vertreibt. Wir gehen den Tag so gemütlich an, dass wir mittags immer noch mit unseren Stühlen am Wasser sitzen, als Jasmin und Bernhard, die noch etwas länger in Whitehorse geblieben sind, vorbeikommen. Nach einem kurzen Mittagsessen sind die beiden allerdings wieder weg, während Steffi, Benny und wir beide uns immer noch nicht weiter bewegt haben. Aber wir schaffen es dann doch noch loszufahren und nur wenige Kilometer weiter treffen wir Jasmin und Bernhard wieder. Mit drei deutschen Autos (einem rot-grauen Mercedes LKW, einem weißen Landy und unserem weißen Toyo) ziehen wir weiter und erreichen sogar den Norden von British Columbia. Die erste Recreation Site am Morley See ist unsere und wir machen es uns mit unserer kleinen Reisegruppe gemütlich.

 

Nachdem wir über zwei Monate nur pappiges Weißbrot (dass getoastet eigentlich ganz gut schmeckt) gegessen haben, freuen wir uns wahnsinnig über das Brot, dass Steffi am nächsten Morgen für uns gebacken hat. Knusprig, frisch und mit Körner schmeckt es einfach himmlisch! Hat schon seine Vorteile so ein Expeditions-LKW. Der Platz zwischen Bäumen direkt am See mit Sandstrand ist so schön, dass keiner von uns Lust hat weiterzufahren und da das Wetter stimmt, bleiben wir alle noch einen Tag hier. Während Bernhard ein paar Wartungsarbeiten am Landy macht, packt Benny seine Angel und das Kanu aus und wir wischen mal wieder unseren Toyo durch und Lukas bekommt einen neuen Haarschnitt (diesmal klappt es auch schon besser als beim ersten Mal ;-). Die meiste Zeit des Tages verbringen wir allerdings mit faulenzen bei grandioser Aussicht und schwimmen im See (zumindest Lukas, denn mir war es zu kalt). Man, ist das Leben schön! Später verschwinden die Junges mit Säge und Axt im Wald für den typisch kanadischen Abend am Lagerfeuer.

 

Auch am zweiten Morgen gibt es frisches Brot über das wir alle herfallen. Aber dann heißt es wieder Abschied nehmen. Jasim und Bernhard fahren als erste los und auch wir verabschieden uns einige Stunden später schweren Herzens von Steffi und Benny. Da wissen wir noch nicht, dass der Abschied nur von kurzer Dauer ist. Gut 150 Kilometer später fahren wir, ach ne, an einem weißen Landy vorbei. Wir drehen und gesellen uns zu Jasmin und Bernhard, die neben einem Fluss ihr Zelt aufgebaut haben. Nur zwei Stunden später „saust“ der LKW von Steffi und Benny vorbei, bremst, dreht und schon sind wir wieder komplett. Der Platz ist schön, aber leider so Mückenverseucht, dass wir uns abends zu sechst in den LKW quetschen.

 

Leider haben wir beim letzten Schließen des Daches unser Mosquitonetz eingeklemmt und jetzt zwei Risse darin. Sehr ärgerlich! Notdürftig mit Klebeband geflickt dürften aber keine Mücken reinkommen. Dafür haben es die Viecher aber geschafft durch eine Lücke zwischen Zeltplane und Scharnier in unseren Toyo zu kommen, so dass am nächsten Morgen zwanzig juckende Stiche meine Füße zieren. Grrr!

 

Jetzt heißt es aber wirklich Abschied nehmen. Während die anderen noch bis zum Herbst in Kanada bleiben wollen, haben wir keine zwei Wochen mehr und noch einige Kilometer vor uns bis zur Grenze. Und so biegen wir vom Alaska Highway ab und nehmen den Cassier Highway Richtung Süden. Die Landschaft hier ist wunderschön, auch wenn der Wald auf den ersten Kilometern vor einigen Jahren einem Waldbrand zum Opfer gefallen ist. Der sonst einheitliche kanadische Wald, wo ein schlacker hoher Nadelbaum dem anderen gleicht, wird immer öfter durch Laubbäume aufgelockert und immer wieder fahren wir an idyllischen Seen vorbei. Am Dease Lake gibt es eine wunderschöne Recreation Site, wo wir Mittagessen und ich im kalten Wasser bade. Allerdings vertreiben uns die Mücken mal wieder. Einige Kilometer weiter finden wir dann einen Schlafplatz an einem anderen See ohne Mücken. Da es von den Seen hier so viele gibt, fällt es uns nicht schwer am nächsten Mittag auch wieder einen für eine kurze Pause zu finden.

 

Eigentlich hatten wir ja nicht vor nach Alaska zu fahren. Schließlich haben wir kein Visum für die USA und bekommen bei Einreise nur 90 Tage. Die wollen wir nicht schon in Alaska anfangen. Aber es gibt da so einen kleinen Ort namens Hyder im äußersten Südzipfel Alaskas, wo man jedes Jahr um diese Zeit Bären beim fangen von Lachsen beobachten kann. Und durch diesen Ort führt nur eine einzige Straße, die in British Columbia anfängt und auch wieder in British Columbia aufhört. Es gibt also keine Möglichkeit zum Rest Alaskas zu kommen und so verzichten sogar die paranoiden Amerikaner auf eine Grenzkontrolle. Kaum zu glauben, aber wahr. Also biegen wir kurzerhand rechts ab und fahren Richtung Alaska. Kaum sind wir auf der Straße #37A ändert sich wieder die Landschaft. Alles wird üppiger und die Bäume und das Unterholz wirken schon fast tropisch. Zwischen den Bergen rechts und links von uns taucht immer mal wieder ein Gletscher oder ein Wasserfall auf. Und auch die Schwarzbären fehlen nicht.

 

Nach einer Nacht am Clemens Lake fahren wir durch Stewart nach Alaska. Unser erster Stopp ist aber erst mal die Laundry, wo wir mal wieder Wäsche waschen und auch duschen können, bevor wir zum Fish Creek fahren. Von einer Holzplattform kann man hier die Lachse im glasklaren Fluss beobachten, wie sie sich mühsam ihren Weg zum Laichplatz erkämpfen. Noch sind keine Bären in Sicht, aber unsere Freude ist riesig als auf einmal Ursi und Michel angefahren kommen. Die beiden haben wir das letzte Mal vor über zwei Monaten in Halifax gesehen.

 

Wir warten noch eine Weile und tatsächlich, von der gegenüberliegenden Straße kommt ein kleiner Grizzly an, der aber wenig erfolgreich ist bei seiner Lachsjagt. Da es langsam dunkel wird, machen wir uns auf den Weg zum Auto. Wir hören das Platschen schon bevor wir ihn sehen. Ein ausgewachsener Grizzly taucht im Bach neben dem Steg auf, der uns zum Parkplatz führt. Nur wenige Meter neben dem dahin schluffenden Bären laufen wir auf der sicheren Plattform zurück. Als dieser den Kleineren entdeckt zeigt er uns, wie schnell ein Grizzly sein kann und verjagt den Konkurrenten.

 

Am nächsten Tag fahren wir weiter in die Sackgasse hoch zum Salmon Gletscher. Der Straßenverlauf ist wunderschön und windet sich in Serpentinen am Berg entlang. Oben angekommen haben wir einen atemberaubenden Blick auf den riesigen Gletscher (der fünft größte Nordamerikas). Man spürt richtig die Kälte, die von ihm ausgeht.

 

Zusammen mit Ursi und Michel verbringen noch einen weiteren schöne Abende am Fish Creek und beobachten Bären und Adler, die sich am Lachs gütlich tun. Es ist wirklich total faszinierend den Bären beim jagen zuzusehen und den Lachsen, wie sie verzweifelt versuchen zu entkommen. Wie bei National Geographic, nur besser.

 

Nach einem gemütlichen Kaffee zusammen verabschieden wir uns am zweiten Tag von den beiden und fahren nach Stewart. Auch wenn wir zwei Tage in einer Sackgasse waren, gibt es tatsächlich eine Grenzkontrolle, bevor wir wieder nach Kanada dürfen. Wir halten an einem Café an, um Emails zu checken und staunen nicht schlecht, als plötzlich der LKW von Steffi und Benny angerollt kommt. Jippie! Dabei wollten die beiden so früh noch gar nicht hier sein. Während wir noch quatschen, kommen auch Ursi und Michel wieder vorbei und fast gleichzeitig Jasmin und Bernhard. Kaum zu glauben, aber so klein ist Kanada.

 

Zusammen mit Steffi, Benny, Ursi und Michel fahren wir zum Clemens Lake, wo wir schon auf der Hinfahrt übernachtet haben. Während die Jungs Holz für ein schönes Lagerfeuer besorgen, schmeißen wir Mädels die Inhalte unsere Reisekühlschränke zusammen und sorgen fürs Essen.

 

Und als wenn wir in letzter Zeit nicht schon genug Abschiede gehabt hätten, heißt es am nächsten Morgen endgültig Goodbye. Aber wer weiß. Vielleicht sieht man sich ja irgendwo auf dem Weg Richtung Süden wieder. Wir würden uns auf jeden Fall riesig freuen!

 

Die nächsten Tage fahren wir viel, füllen unterwegs unsere Vorräte auf und lassen unseren Steinschlag vom Dempster reparieren. In Prince George gehen wir das erste Mal auf unserer Reise richtig aus und genießen die yummie Burger mit Süßkartoffelpommes und Apfel-Paranuss-Frühlingsrolle mit Vanilleeis und Sahne bei live Musik a la Jack Johnson.

 

Hinter Prince George wird die Fahrt ziemlich eintönig, da immer mehr Landwirtschaft und kleinere Orte die Landschaft bestimmen. Aber kaum biegen wir auf die #99 ab, die uns von Norden her nach Vancouver führt, ändert sich die Landschaft schlagartig. Kanadische Täler sind doch immer für eine Überraschung gut. Die Bäume werden durch Sträucher und Gräser abgelöst und alles wirkt grau, braun und vertrocknet. Das Thermometer klettert tatsächlich über 30°C und die Sonne brennt vom Himmel.

 

Wir haben es natürlich geschafft uns an einem langen Wochenende, das dazu auch noch in den Schulferien liegt, einer Großstadt zu nähern. Aber wir haben Glück und finden auf einem kostenlosen Campground des Energieversorgers BC Hydro noch einen Platz, der nur ein kurzes Stück zu Fuß von einem Stausee mit Liegewiese entfernt ist. Hier gefällt es uns so gut, dass wir gleich zwei Nächte bleiben. Es ist so heiß hier, dass ein Bad in den sonst so kalten kanadischen Seen richtig angenehm ist. Und trotz der Hitze schaffe ich es auch unser Mosquitonetz richtig zu nähen. Sieht wieder fast aus wie neu.

 

Auf dem Weg nach Vancouver machen wir dann aber kaum noch Halt, auch wenn die Landschaft traumhaft schön und wieder typisch kanadisch ist. Aber die Parkplätze sind zum größten Teil so voll, dass wir keinen Platz mehr hätten. Kurz bevor wir Vancouver erreichen sehen wir das erste Mal den Pazifik. Wir können es kaum glauben, aber jetzt haben wir Kanada wirklich von Ost nach West durchquert.

 

Von unserem Campingplatz in Surrey, einem Vorort von Vancouver, fahren wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Zentrum und bummeln einen ganzen Tag durch die relaxede Stadt, durch Gastown und Chinatown bis zum Stanley Park. Wir treffen Feuerwehrmänner und dürfen uns ihre Fahrzeuge angucken und landen dabei aus Versehen im Junckieviertel. Im Stanley Park machen wir eine Pause mit leckeren Cookies und bestaunen die schöne Skyline der Stadt.

 

Nach genau drei Monaten in Kanada fahren wir die knapp 20 Kilometer bis zur US-Amerikanischen Grenze. Wir hatten eine tolle Zeit hier, freuen uns aber auch schon darauf, was die Vereinigten Staaten von Amerika für uns bereit halten.