Reiseberichte Kolumbien



Karibikküste

01. – 11.04.2013

Die Perle der Karibik, Warterei ohne Ende, ein witziges Schlammbad und die letzten Tage am karibischen Traumstrand.

Es ist schon ein erhabenes Gefühl, als nach 30 Stunden rauher Überfahrt endlich wieder Land in Sicht kommt. Wir quetschen uns zwischen riesige Containerschiffe und laufen gemächlich in den Hafen von Cartagena de Indias ein. Rechts von uns stapeln sich die Container an den Docks und links von uns ragen die Hochhäuser des Finanzviertels empor. Es fällt uns schwer, die Stahlratte zu verlassen, aber gleichzeitig freuen wir uns auch, endlich südamerikanischen Boden zu betreten. Noch ohne unseren Toyo und auch ohne unsere Pässe (die werden wegen Ostermontag wohl noch bis morgen Vormittag bei der Einreisebehörde liegen) sind wir tatsächlich in Kolumbien angekommen.

 

Mit einem zu heiß gewaschenen Taxi, bei dem sich der Kofferraum mit unseren paar Taschen nicht schließen läßt, fahren wir mit Nora und Glen (die beiden waren auch auf der Stahlratte) zusammen zum Hostel Mamallena. Und schlendern anschließend gemeinsam in die Altstadt, wo wir auf einer schattigen Plaza typisch kolumbisch Essen. Reis mit Bohnen, Fleisch und Salat.

 

Auch unser Toyo, genauer gesagt die Victoria Strait, auf der der Container mit Herrn Lehmann und unserem Toyo steht, kommt am selben Abend in Cartagena an. Es ist wohl möglich, das ganze Prozedere mit Container verlegen (er darf nicht im selben Bereich geöffnet werden, wo er vom Schiff geladen wird), Container öffnen, Autos rausfahren, Zollabnahme und so weiter, alleine zu machen, aber wir sind doch froh, dass wir uns für einen Agenten entschieden haben.

 

Nachdem wir Dienstag Vormittag endlich unsere Pässe wiederbekommen, geht es los. Wir verbringen viel Zeit damit zu warten und brav hinterher zu dackeln, während Luis Ernesto und seine Frau die ganze Arbeit haben, ab und zu mal unterschreiben (manchmal sogar mit Fingerabdruck) und wieder zu warten.

 

Am Mittwoch Nachmittag dann wieder das gleiche Spiel. Wieder viel Warten, hinterher laufen und ab und zu unterschreiben. Heute geht es auch endlich zum Hafen, wo der Container geöffnet wird. Da nur mein Name in den Frachtpapieren drin stehe, darf auch blöderweise nur ich aufs Hafengelände. Also stehe ich die meiste Zeit alleine in der erbarmungslosen Sonne, bevor ich unseren Toyo und Herrn Lehmann heil aus dem Container fahren kann. Da es bis dahin aber schon zu spät ist für den Zoll, heißt es noch eine Nacht ins Hostel.

 

Aber wir haben auch genug Zeit, uns zwischen dem Papierkram die wunderschöne Altstadt von Cartagena de Indias anzugucken. Eine solide Mauer aus Korallenstein umgibt die schnuckelige Stadt mit gelb getünchten Häusern, Arkadengängen, Obstverkäufern und schattigen Plätzen. Eine Stadt mit einer bewegten Vergangenheit, in der jede Gasse und jedes Haus eine Geschichte zu erzählen hat. Der „Feria de Negros“ war einer der größten Sklavenmärkte Südamerikas. Es gab Epedemien und Piratenangriffe. Und Jahrzehnte später schlendern wir gemütlich bei unbeschreiblichen 40 Grad mit einem leckeren Eis in der Hand durch die Straßen.

 

Am Donnerstag Mittag ist es dann endlich soweit. Wir rollen mit unserem Toyo vom Hafengelände ins Verkehrschaos Kolumbiens. Wir teilen uns die Straße mit Autos, Lkws und Bussen, die alle paar Meter stehenbleiben, um Fahrgäste aufzunehmen und rauszulassen. Dazu kommen Motorräder, Eselkarren, Pferde und Handkarren. Alles verwurschtelt sich in einem dichten Gewühl ohne irgendeine erkennbare Ordnung - und trotzdem fließt der Verkehr. Irgendwie.

 

Nachdem wir unsere Vorratsschränke und die Kühlbox aufgefüllt haben, geht es erstmal zum nicht weit entfernten Hotel Bellavista, wo man im Innenhof campen kann. Nicht super schön, aber praktisch. Und wir lernen Sina und Michael und Rita und Beat kennen, die auf ihre Verschiffung in die andere Richtung warten. Natürlich gibt es viele Infos auszutauschen, und so bleiben wir, anders als geplant, zwei Nächte.

 

Zwischendurch statten wir aber noch, dem nicht weit von Cartagena entfernten Volcán de Lodo el Totumo, einen Besuch ab. Eine wirklich witzige Angelegenheit. Es handelt sich bei dem Vulkan nämlich nicht wirklich um einen Vulkan im eigentlichen Sinne, sondern um einen Schlammvulkan, bei dem aufgeschlämmtes tonreiches Sedimentgestein aufgrund seiner relativ geringen Dichte und der Quellfähigkeit aus der Erdkruste aufsteigt. Und das beste daran ist, man kann darin schwimmen. Also nicht wirklich schwimmen, aber irgendwie drin baden. Der Schlamm hat so eine geringe Dichte, dass man aufrecht drin stehen kann, oder sich einfach super bequem reinlegt, ohne unterzugehen. Nur sich koordiniert zu bewegen, ist irgendwie nicht so einfach. Aber dafür gibt es ja die einheimischen Helfer, die einen sanft auf einen freien Platz schieben und massieren. Wunderbar!

 

Auf dem Weg zum Schlammvulkan passieren wir auch unsere erste Militärkontrolle in Kolumbien. Wir sind ganz baff, als die zwölf Soldaten rechts und links der Straße uns nicht nur durchwinken, sondern mit erhobenem Daumen dastehen. Und das wird kein Einzelfall bleiben. An jeder Militär- und jeder Polizeikontolle im Land werden wir mit erhobenem Daumen, lächelnden Gesichtern und einem „Alemania“ auf den Lippen durchgewunken.

 

Der eigentliche Plan war, von Cartagena schnurgerade die Panamericana entlang nach Medellín zu fahren. Irgendwie schaffen wir es aber noch nicht, uns von der Karibik zu trennen, also fahren wir doch noch ein Stück die Küste entlang, an ärmlichen Fischerhütten vorbei zum östlichen Ende vom Parque Nacional Natural Tayrona.

 

Los Angeles heißt unser kleines Paradies für die nächste Woche. Wir stehen auf einer kleinen Wiese zwischen riesigen Kokospalmen, natürlich mit gebührendem Abstand in alle Richtungen, um keine Nuss auf den Kopf oder das Dach zu bekommen. Und wenn eine runter fällt, rücken wir ihr kurzerhand mit der Machete zu Leibe. Nur wenige Meter vor uns liegt ein traumhafter Sandstrand, gesäumt von nichts als grünen, wildbewachsenen Hügeln und Granitblöcken. Hinter uns befinden sich die nördlichsten Ausläufer der Anden, dem gewaltigen Gebirgszug, der sich über den gesamten Kontinent erstreckt. Nur leider ist der über 5.000 Meter hohe Berggipfel in dichte Wolken gehüllt. Nur ein paar Minuten über einen kleinen Trampelpfad entfernt gelangt man zu einem Fluss, der um Granitblöcke herum, über den einsamen Strand ins Meer fließt. Er ist die Grenze zum Parque Nacional Natural Tayrona und im Gegensatz zur an dieser Küste rauhen Karibischen See, herrlich zum Baden.

 

Erst als unsere Vorratsschränke bis aufs Letzte leer gefuttert sind, heißt es dann endgültig Abschied nehmen von der Karibik.


Medellín und die Kaffeezone

11. – 19.04.2013

Ein grausamer Drogenboss, wir schweben über den Barrios, Handyverleiher, hübsche Dörfer, der köstlichste Kaffee Kolumbiens und riesige Palmen.

Zwei Tage lang fahren wir von morgens bis abends durch anfangs sehr eintönige Landschaft. Wir müssen satte 38 Euro an Maut zahlen für die fast 800 Kilometer. Aber vor allem die Geschwindigkeitsbegrenzungen machen Lukas zu schaffen. Wir bemühen uns ja immer sehr, nicht zu schnell zu fahren, aber was soll man nur tun, wenn innerhalb von nur 300 Metern Schilder kommen mit 60, 40, 40, 20, 30, 90 und 80 !?!?!? Man kann sich auf jeden Fall nicht beschweren, dass die Kolumbianer zu wenig Verkehrsschilder aufstellen.

 

Schließlich erreichen wir die Vororte der Metropole Medellín. Einen Campingplatz gibt es natürlich nicht, also müssen wir unseren Toyo auf einem bewachten Parkplatz drei Blocks von unserer Unterkunft, für die nächsten zwei Nächte, entfernt zurücklassen.

 

Medellín ist eine Stadt, die lange Zeit als Drogenmoloch und Mordhauptstadt bekannt war. Maßgeblich dazu beigetragen hat sicherlich Pablo Escobar, der Drahtzieher des berühmt berüchtigten Medellín Kartells, das in Spitzenzeiten 80% des weltweiten Kokainbusinesses unter Kontrolle hatte. Nach seinem Tod 1993 zerfiel das Kartell und es entstand ein Machtvakuum, in dem sich linke Guerillas und rechte Paramilitärs in den schwer zugänglichen Slums nächtliche Schießereien lieferten. Und auch jetzt noch sind einige Barrios inoffiziell unter Einfluß von Paramilitärs.

 

Denn die Stadt ist schwierig zu kontrollieren. Während die moderne Innenstadt in der von Nord nach Süd verlaufenden Tahlsole des Valle de Aburrá liegt, breiten sich die Armenviertel auf den steilen Berghängen im Osten und Westen der Stadt aus: Schmale Treppen, Trampelpfade und kaum genug Platz für ein Auto, zwischen ärmlichen Hütten aus rotem Backstein.

 

Aber Medellín steht mittlerweile auch für kunstvolle Plätze, moderne Finanzviertel und Schönheitschirurgie. Wir schlendern über die Plaza Botero mit ihren schönen, aber gewöhnungsbedürftigen Skulpturen von Fernando Botero, vorbei an Obstverkäufern und Handyverleihern. Und auch Briefe schreiben auf der Schreibmaschine wird als Dienstleistung am Straßenrand angeboten.

 

Außerdem besitzt die Stadt eine ultramoderne Metro, die auf hohen Stelzen durch die gesamte Stadt führt. Seit 2004 verbinden Seilbahnen die Armenviertel an den steilen Hängen mit der modernen Innenstadt.

Und so können auch wir in einer sicheren Kapsel über die Barrios der Stadt schweben. Wie von weiter Ferne dringen Motorenlärm und laute Musik, eine quietschende Schaukel und lachende Kinderstimmen, Hundegebell und das Krähen eines Hahns zu uns hinauf. Alles wirkt so friedlich aus der Luft. Ein atemberaubender Anblick. Und doch sind wir froh, dass wir von der Gewalt und Armut, die sich auch heute noch in diesen Stadtteilen abspielen, nichts mitbekommen.

 

Ein Highlight der etwas anderen Art war in Medellín aber für uns ein super leckerer Döner nach deutschem Rezept, vom dem Lukas seit fast neun Monaten träumt ;-)

 

Am Sonntag morgen verlassen wir in der Frühe Medellín über die Panamericana Richtung Süden. In La Pintada biegen wir links ab auf eine kleine Bergstraße. Natürlich nicht ohne vorher den nächstgelegenen Militärposten nach der aktuellen Sicherheitslage zu fragen. Denn, was wir uns immer noch nicht vorstellen können, ist, dass eine Straße oder ein Dorf als sicher gilt und nur zehn Kilometer weiter die Regierung keine Macht hat und das Gebiet von der FARC oder ELN besetzt ist.

 

Wir kommen durch wunderschöne kleine Dörfer, fahren vorbei an Zuckerrohrplantagen, Rinderweiden und jeder Menge Kaffeefelder. Bis nach Manizales sind es zwar nur 248 Kilometer, aber trotzdem sind wir zehn Stunden unterwegs. Kurz bevor es dunkel wird, erreichen wir die Hacienda Venecia. Ein Ort, an dem man sich sofort wohlfühlt. Wir stehen direkt neben den Kaffeesträuchern mit einem traumhaften Blick über die grünen Hügel. Das Hostal umgibt eine große Veranda mit gemütlichen Hängematten. Die Küche und das Badezimmer, das wir mitbenutzen dürfen, sind spitze. Es gibt so viel frischen, köstlichen, kolumbianischen Kaffee, wie wir wollen. Und mit frisch meine ich wirklich frisch. Jeden Tag werden die grünen Kaffeebohnen handverlesen, in einem kleinen Röster geröstet und vor jeder Tasse frisch gemahlen und aufgebrüht.

 

Damit wir mehr über diese leckere Bohne erfahren, nehmen wir am nächsten Tag an der Kaffeetour teil. Eine wirklich lohnende Sache. So hören wir von der Legende, dass einem Hirten aus dem Südwesten des heutigen Äthiopien aufgefallen sei, dass ein Teil seiner Ziegenherde, der von einem Strauch mit weißen Blüten und roten Früchten gefressen hatte, bis in die Nacht hinein munter umhersprang. Als er selber die im rohen Zustand ungenießbaren Früchte ins Feuer warf und ihm der Duft frisch gerösteten Kaffees in die Nase stieg, entstand die Idee des Röstens.

 

Wir lernen, dass in dieser Region Arabica-Kaffee angebaut wird und ein Kaffeestrauch alle fünf Jahre zurückgeschnitten wird und nach 25 Jahren seinen Dienst getan hat. Neben zwei Haupterntezeiten können im Prinzip das ganze Jahr über rote Kaffeekirschen geeerntet werden und zeitweise haben die Stäucher gleichzeitig weiße Blüten, unreife grüne und reife rote Kaffeekirschen. Nach der Ernte werden die roten Kaffeekirschen aufbereitet, das heißt die eigentliche Kaffeebohne von ihren vielen Hüllen befreit. Da kommt erst die rote Fruchthaut, dann das helle, schleimige Fruchtfleisch, eine helle Pergamenthaut und zum Schluß ein dünnes Silberhäutchen weg. Anschließend werden die grünen Kaffeebohnen gereinigt und sortiert. Denn nur perfekte Bohnen gehen in den Export. Der Rest bleibt im Land, was auch erklärt, warum man in den meisten Fällen in Kolumbien keinen wirklich guten Kaffee bekommt.

 

Und hier hört der Prozess für den Kaffeebauern in Kolumbien auf, denn geröstet wird erst im jeweilen Konsumland, um den dortigen Geschmack zu treffen. Mit Hilfe von Aromafläschchen, die nach Schokolade oder Mandel, Rauch oder Pfeffer, Stroh oder Zitrone riechen, versuchen wir die einzelnen Aromen des vor unserer Nase frisch gerösteten Kaffees zu erkennen. Scheitern aber kläglich.

 

Nach zwei Tagen geht es nur wenige Kilometer weiter nach Salento und ins Valle de Cocora, ein Gebiet, das bekannt ist für seine vielen Wachspalmen. Diese schlanken Palmen, die der Nationalbaum Kolumbiens sind, können tatsächlich bis zu 60 Meter hoch werden.

 

Während wir die letzten Tag die Gewitter um uns herum aus der Ferne betrachten konnten, hat uns das schlechte Wetter jetzt erwischt. Aber wir schaffen es trotzdem zwischen zwei kräftigen Regenschauern durchs Tal zu wandern über abenteuerliche Brücken (teilweise so abenteuerlich, dass ich es vorziehe durch das eisigkalte Wasser zu waden) und steinige Trampelpfade.

 

Von hier aus werden wir das erste Mal die Anden überqueren, genauer gesagt die Cordillera Occidental, der westlichste der drei Gebiegszüge in Kolumbien.


Südliches Kolumbien

19. – 27.04.2013

Kurvige Straßen, in der Wüste der Klapperschlangen, steinerne Marsmännchen und eine spektakuläre Kirche.

Mühsam schrauben wir uns auf über 3.200 Meter, als wir die Cordillera Occidental überqueren. Ein Kurve folgt der nächsten und vor und hinter uns kämpfen die Lkws mit ihrer Last. Immer wieder gibt es kamikazeartige Überholmanöver und die Kurven sind teilweise so eng, dass die Lkws in den Gegenverkehr ausweichen müssen, um überhaupt rum zu kommen. Würden nicht immer wieder Anwohner für ein paar Münzen den Verkehr regeln, gäbe es wahrscheinlich den totalen Verkehrskollaps. Ganze vier Stunden brauchen wir für die gerade mal 100 Kilometer über den Pass. Aber danach geht es zügig voran und wir erreichen einige Zeit später das Desierto de la Tatacoa.

 

Neben dem Observatorium schlagen wir unser Nachtlager auf und irgendwie kommt uns diese trockene Wüste zwischen den grünen Bergen Kolumbiens so unwirklich vor. „Tatacoa“ heißt eigentlich Klapperschlange, aber davon bekommen wir keine zu Gesicht. Dafür besuchen uns beim Frühstück die Ziegen und abends die Schafe und ab und zu schaut ein Rind vorbei, während über uns einige Vögel ihr Können zum Besten geben.

 

Hatte ich eben geschrieben „trockene Wüste“? In der ersten Nacht blitzt und donnert es um uns herum und ein kräftiger Regenschauer setzt die Landschaft unter Wasser. Am nächsten Morgen kämpft sich aber wieder die Sonne durch und trocknet langsam den aufgeweichten Lehmboden. Trotzdem sind unsere Wanderschuhe nach kurzer Zeit vor lauter Lehm fast doppelt so schwer und doppelt so groß. Wir wandern durch eine unwirkliche Landschaft, die Farben wechseln von rot-braun nach grau-grün und wir können uns gar nicht satt sehen. Da es keine offiziellen Wanderwege gibt, machen wir es einfach wie die Schafe und Ziegen und laufen und springen querfeldein.

 

Aus der Wüste geht es wieder hinein in die grüne Bergwelt, nach San Augustín. Zu den geheimnisvollen Ausgrabungsstätten einer fremden Zivilisation. Bereits 1.100 v.Chr. war das Land besiedelt und es wurden Mais und Bohnen angebaut. Aber die meisten Wächterstatuen vor den Gräbern der Schamanen stammen aus der Zeit von 200 v.Chr. bis 700 n.Chr.

 

Einen ganzen Tag schlendern wir gemütlich durch den Parque Arqueológico San Augustín und bestaunen die steinernen Figuren mit ihren dreieckigen Gesichtern, Vampierzähnen und breiten Nasen. Und teilweile fragen wir uns, ob nicht doch auch Marsmännchen zu Besuch waren oder Bart Simpson eine Zeitreise gemacht hat?

 

Aber es gibt noch mehr Ausgrabungsstätten in der Umgebung. Also schwingen wir uns einen Tag später auf den Rücken zweier hübscher Pferde (ja Lukas auch!) und reiten mit unserem Guide bei strahlend blauem Himmel durch die schöne Berglandschaft. Zuerst erreichen wir La Purutal, eine Stätte, die erst in den 1980er Jahren offiziell entdeckt wurde und an deren Statuen noch rote, gelbe, weiße und schwarze Farbreste haften. Irgendwie wirken sie dadurch noch gruseliger. Weiter geht es nach La Cháquira einer tiefen Schlucht vom Río Magdalena, wo die Figuren eines Jaguarschamanen in den rohen Feldsblock gemeiselt wurde. Nach einem kurzen Stop in El Tablón sind wir nach fünf Stunden wieder zurück.

 

Während ich am liebsten noch weitergeritten wäre, fällt Lukas Urteil über das ungewohnte Fortbewegungsmittel allerdings etwas nüchterner aus: Die Spur müsste neu eingestellt werden, die Lenkung ist zu indirekt und die Bremsen funktionieren nicht zuverlässig.

 

Also geht es zwei Tage später doch wieder mit unserem deutlich zuverlässigeren Toyo weiter. Ein weiteres Mal müssen wir über die Cordillera Occidental, diesmal zwischen Mocoa und Pasto. Die Straße trägt den schönen Namen „trampolin del diablo“. Auch wenn viel dran gearbeitet wird, ist ein großer Teil der Bergstraße noch immer unbefestigt und ohne Leitblanken. Dazu kommt, dass sie eigentlich nur breit genug ist für eine Spur, aber trotzdem kommen einem immer wieder Lkws entgegen. Auch gibt es hier in der Gegend immer noch Gebiete, in denen Gurillas und Paramilitärs für Unruhe sorgen. Aber alle Militärposten und die Polizeistation in San Augustín haben uns versichert, dass zur Zeit alles ruhig und sicher ist. Hoffen wir, dass es stimmt!

 

Landschaftlich ist die Strecke auf jeden Fall ein Highlight. Der Himmel ist blau mit einzelnen Wolken, als wir uns Kurve um Kurve durch die saftig grünen Berge schlängeln. Regelmäßig schießt Wasser aus der steilen Bergwand, strömt über die Straße und verschwindet wieder im Abgrund. Als wir den höchsten Punkt der Strecke erreichen, werden wir plötzlich von dichtem Nebel verschluckt und wir sind froh, dass wir gerade genug erkennen können, um zu wissen wo der Abgrund ist. Aber nach wenigen Kilometern ist der Spuk auch wieder vorbei.

 

Kurz bevor wir wieder die Panamericana erreichen, stoppen wir an der Laguna de la Cocha für die Nacht und fahren am nächsten Tag weiter nach Las Lajas. Bekannt ist der Ort für seine spektakulär an die fast vertikale Felswand gebaute Wallfahrtskirche. Einer Legende nach wurde 1754 eine indianische Dienstmagd mit ihrer taubstummen Tochter Rosa in der Schlucht des Río Guáitara von einem schweren Gewitter überrascht. Zwischen Blitz und Donner hatte Rosa eine Erscheinung der Jungfrau Maria und konnte fortan wieder hören und sprechen. Genau an dieser Stelle wurde 1803 die erste Kapelle errichtet und Jahre später die heutige Kirche.

 

Und während wir so vor der Kirche sitzten, sprechen uns drei kolumbianische Schulmädchen an, ob sie ein Foto von uns machen könnten und wo wir herkommen und was wir machen und und und. Bisher waren wir ja immer diejenigen, die Menschen gefragt haben, ob wir sie fotographieren dürfen. Aber in Kolumbien war das nicht das erste Mal, dass die Einheimischen uns fragen, ob sie ein Foto mit uns machen dürfen.

 

Unser Toyo steht zu der Zeit auf dem Innenhof der Casa Posada bei einer sehr lieben älteren Señora. Während wir durch den Ort schlendern sitzt sie geduldig von unserem Auto und hält Wache. Hier dürfen wir auch die Nacht verbringen. Eigentlich nur ein kahler, nicht besonders großer, staubiger Platz, ohne irgendwelche Infrastruktur, umgeben von einer hohen, rohen Steinmauer und einem großen Metalltor. Aber die Herzlichkeit der Señora macht es trotzdem zu einem angenehmen Schlafplatz für uns.

 

Von Las Lajas aus sind es nur noch wenige Kilometer bis zur Grenze nach Ecuador und so verlassen wir nach fast einem Monat ein Land, von dessen Landschaft wir begeistert sind, in dem wir uns unheimlich wohl gefühlt haben, nicht zuletzt wegen seiner offenen, neugierigen und herzlichen Menschen. Ja, und das obwohl wir anfangs doch so skeptisch waren.

 

Nur eine Sache ist nicht so einfach. Nämlich eine Post zu finden, die auch Postkarten verschickt. Wir brauchen fast eine Stunde, in der wir diverse Kurier- und Versandunternehmen abklappern, bis wir schließlich bei 4-72 erfolgreich sind.